t byfield on Thu, 7 Dec 95 07:39 MET |
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political media consultants (Deutsch) |
Signed with PGP 2.6.2 fingerprint: 75 7C E9 84 00 E1 1B 7A AA 23 AE 59 BD 19 4B BE Ted Byfield <[email protected]> -----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE----- [What follows is "liberal" German translation of an expanded version of an essay that appeared in a pamphlet (distributed freely) at an exhibition by Lincoln Tobier (with some help from myself, natuerlich), "Roger Ailes: A Retrospective in Context," mounted at Real Art Ways (Hartford, Connecticut), the Eye Gallery (San Francisco), and the Randolph Street Gallery (Chicago) during the 1992 US presidential election. This expanded version of the essay subsequently appeared in _Frieze_ magazine #7 (London. Nov-Dec 1992). This distribution (as well as the original English version) was submitted to nettime, "the official [email] channel for the *ZK proceedings*" <[email protected]>, on 7 Dec 1995. Inquiries, comments, and guests are welcome: <[email protected]> or 526 West 111th St. #6B New York NY 10025 / (212) 665-0120. This essay is dedicated, maybe retrospectively, to the memory of Gilles Deleuze: as is inscribed of the grave of his longtime collaborator, Felix Guattari, "Il n'y a pas de marque dans l'absence. / L'absence est une presence en moi. / --Le Club de La Borde."] Roger Ailes: Retrospektive im Kontext dekontextualisiert von Ted Byfield Die Poesie, die uns nicht mehr innewohnt und die wir nicht mehr in den Dingen finden koennen, erscheint auf einmal auf der falschen Seite. --Artaud Die ersten vom Fernsehen uebertragenen Wahlkampfdebatten 1960 zwischen dem nervoesen Richard Nixon und dem "telegenen" John F. Kennedy kuendigten, so wird oft gesagt, die Korruption der amerikanischen Politik durch das Fernsehen an. Ob die Regierung die Bevoelkerung vorher besser oder reiner "repraesentierte", ist nicht die Frage--denn als das honigsuesse, superleitfaehige Medium Fernsehen durch die Adern des Staatskoerpers zu rinnen anfing, der in einem Informationsemphysem zu ertrinken begann, verwandelte sich die politische Kultur Amerikas in ein funktionsgestoertes Riesenhirn: Politiker, in den Druckmedien vormals gesichtslos, wurden zu sichtbaren Impulsen, politische Programme verwandelten sich in pathologische Tendenzen, and politische Rituale in Zwangsreflexe--und von irgendwoher entstieg diesem sozioelektrischen Sumpf eine neue Figur, so massgeblich und so schwierig zu greifen wie das Ungeheuer von Loch Ness: der politische Medienberater. Diese Berater, Regisseure, die kontroverse "Keilfragen" formulieren und rosig-inhaltslose Gestalten fuer ihre Kundenkandidaten konstruieren, bemuehen sich, aus den schaurigen Robotern, die im Morast der amerikanischen Politik umhereilen, sichtbar attraktive Kandidaten zu machen. Aber sie haben dies nicht so sehr durch die positive Umformung der Kandidaten wie durch die negative Umformung der Waehler zustandegebracht. Der "Kandidat"--die Larvenphase im Lebenszyklus des Politikers--ist nicht Knete in ihren Haenden, sondern Wachs, das beim Aufheizen des Waehlerofens zunichte wird; und der "Charakter" des Kandidaten (der nur exisiert, um verleumdet zu werden) ist nicht im altmodischen Sinne "abgerundet", sondern facettiert wie ein gefaelschter Diamant, dessen Ober flaechen sich unter dem Druck von Spezial- oder Einzelinteressen vertretenden Lobbies herauskristallisieren, waehrend die Waehlerschaft befriedigt zusieht, wie sie in diese Lobbies stratifiziert wird. Aber man sollte den Medienberatern nicht zuviel Macht zuschreiben: sie haben wohl kaum die pseudopolitischen demographischen Kategories erfunden, geschweige denn durchgesetzt, die die Buerger immer eifriger als ihre eigene, eigentliche "Identitaet" verinnerlichen. Noch sollte man annehmen, nur weil die Berater im politischen Milieu arbeiten, dass "Macht" unbedingt die beste Rubrik sei, unter der man ihre Arbeit analysieren sollte. Dass ihnen so etwas wie Macht zugefallen ist, kann man nicht leugnen--aber es ist fraglich, ob darin wirklich der Kern der Sache liegt. Da mehr und mehr Lebensmomente dokumentiert und sofort abrufbar gemacht werden, kehrt das, was einmal die Vergangenheit des Politikers war, nun zu ihm oder zu ihr wie unter einem Fluch der Sofort-wiederholung zurueck; und nicht nur seine oder ihre Gegenwart ist staendig dieser ewigen Wiederkehr ausgesetzt, sondern jedes seiner oder ihrer Worte und Taten wird hier und jetzt von dem fuerchterlichen Wissen bestimmt, dass es dokumentiert wird, zerkleinert in kontextlose Fetzen mit dem Bedeutungspotential von Legosteinen. Filme, Interviews, Notizen, abgehoerte Gespraeche, Steuerformulare, informelle Bemerkungen, sogar Freundschaften nehmen einen toedlichen Charackter an, denn Massen muessiger Waehlerzuschauer liegen immer halb schlaefrig, halb aufmerksam bereit, wie Papiertiger aus ihrem Schlummer erweckt zu werden und allgemeingueltige Prinzipien von jedem halbleserlichen Lebensfetzen abzuleiten, der ihnen in die Haende faellt. So ist es denn kein Wunder, dass in einer solchen Kultur eine undurchschaubare Figur auftritt mit dem Ziel, aus diesem "Infornado" fieberhaft ein quasi-plausibles Sammelalbum zusammenzustueckeln--ein so vages, dass auch die rueckstaendigste Waehlerschaft es zufrieden als Ganzes konsumieren kann. Wenn es Macht bedeutet, Kleinkindern Phrasen beizubringen ("Lest meine Lippen"), dann fragt man sich, welch monstroeser Name ueberhaupt der moerderischen Gewalt gerecht werden koennte, die andere unter anderen Umstaenden ausueben. Wir konnten an einer solchen M.C. Escher-artigen Wegkreuzung jedoch nur in einer �ra ankommen, in der das Hoechste, was die politische Populaerkritik zustandebringt, der Befehl nach "Empowerment" ist, nach "Ermaechtigung," d.h. der Befehl nach mehr Macht. Wenn die Loesung daraus besteht, das Problem gleichmaessiger zu verteilen--sozusagen den Kater kollektiv im Alkohol zu ertraenken--dann ist offensichtlich entweder das Problem oder die Loesung nicht richtig formuliert worden. Politische Macht ist traditionell von einem Protokoll begleitet, dessen Komplexitaet zunimmt, wenn man durch die Raenge des Beamtentums aufsteigt--und es war fast die strengste Form dieses Protokolls, die Roger Ailes, Koenig der Koenigsmacher, in einem dichtgedraengten Raum zerschlug, als er den damaligen Vizepraesidenten George Bush anschrie: "Da machen Sie das schon wieder mit der Scheisshand! Sie sehen ja aus wie eine verdammte Tunte!"--wofuer man sich bei ihm bedankte. Ohne den Einfluss des Medienberaters zu trivialisieren, kann man daher sagen, dass "Macht" den eigenartigen Prozess nicht angemessen beschreibt, in dem die aeusserliche Erscheinung derer konstruiert wird, welche die Waehlerschaft damit beauftragt hat, sie zu "repraesentieren" (Koenig Georg III gegenueber? sich selbst gegenueber?), und in dem damit die Art und Weise arrangiert wird, in der das amerikanische Elektorat sich selbst dem divide et impera unterwirft. Die Moeglichkeit, dass eine neuerlicher, fehlplazierte Mutation der "aesthetischen Distanz" Ailes' Uebertretung rechtfertigen koennte, mag ueberraschen, aber sie trifft zu. Die Aufgabe des Medienberaters ist es angeblich, seinen Kunden in der Realisierung von Idealbildern "des Politikers" zu trainieren und politische Programme in den Farbtoenen eines verlorenen politischen Paradieses zu malen. Kurzum, seine Arbeit liegt im �sthetisieren der Politik--eine Aufgabe, die Walter Benjamin (vor langem) als wesentlich fuer den Faschismus ansah. Aber die heutige amerikanische Szene mit dem Aufstieg des Nazismus zu vergleichen waere, unter anderem, albern: wir sind an einem Punkt angekommen, wo die krassen Extreme des Faschismus nicht noetig sind, um die Massen mobilisieren--es ist einfacher, sie zur eigenen Immobilitaet zu ermutigen. Fuer Benjamin war die Vorbedingung aesthetisierter Politik eine Buergerschaft, deren "Selbstentfremdung...jenen Grad erreicht [hat], der sie ihre eigene Vernichtung als aesthetischen Genuss ersten Ranges erleben laesst". Gluecklicher- oder ungluecklicherweise liegt die Rettung der amerikanischen Waehlerschaft in ihrer Entfremdung von der eigenen Entfremdung: denn nur dadurch konnten die Waehler in einer tour de force verdrehter Logik davon ueberzeugt werden, dass die Kur fuer das Anti-Amtsinhaber-Fieber, mit dem sie diagnostiziert worden sind, nicht darin liegt, neue Kandidaten zu waehlen, sondern fuer Amtszeitbegrenzungen zu stimmen--mit anderen Worten, durch eine Verstaerkung des abstrakten rechtlichen Rahmens, der blindlings korrupte und gewissenhafte Politiker gleichermassen zugrunde richtet. Wenn es also eine als "Volkswillen" ausgedrueckte aesthetische Distanz ist, die die Beziehung zwischen Berater und Kunden vermittelt, findet man etwas aehnliches wie diese Distanz auch in der entfremdeten, passiv-aggressiven Machtausuebung des Volkes. Welchen Unterschied haette es gemacht, wenn Ailes zum Beispiel Bush angeschrien haette, er "benehme sich wie eine verdammte Tunte", als er zoegerte, Irak den Krieg zu erklaeren? Es war ja gerade durch diesen Krieg, dass Bush den "Schwaechlingsfaktor" austrieb, der ihn seit der Wahl 1988 verfolgt hatte. Aber ist es im Rahmen einer Kultur, fuer die der Golfkrieg innerhalb eines Jahres zu einem Meilenstein in Bushs unberechenbar schwankenden Beliebtheitsraten wurde, wirklich so bemerkenswert, dass Bushs "Selbstachtung" vielleicht seine Kriegsentscheidung beeinflusste? Man kann dafuer nicht den Medienberatern die Schuld geben--aber angesichts dieser Sachlage muss man zugeben, dass die Arbeit eines Medienberaters merkwuerdiger ist, als sie oberflaechlich aussieht. Ist der Medienberater zum Beispiel ein Psychoanalytiker, auf den der Politiker waehrend einer Wahlkrise seine geladenen und ambivalenten Gefuehle gegenueber den Waehlern uebertraegt? Ailes ist "am Anfang eine grosse Stuetze--er macht [seinen Kunden] Mut, staerkt ihr Ego. Wenn er glaubt, dass ihr Selbstvertrauen gross genug ist...sagt er: "Sie sind sauschlecht!", und sie hoeren auf ihn". Die Bemerkung eines Bush-Untergebenen, "Bush nimmt nicht gerne Ratschlaege an, aber auf Roger hoert er", ist in dieser Hinsicht um so ominoeser: Ailes scheint einen guru-artigen Einfluss auf Bush zu haben, waehrend die Regierung, als deren "Oberbefehlshaber" Bush sich bezeichnet, einen guru-artigen Einfluss auf die Waehlerschaft gewonnen hat, die auf eine von all zu berechenbarer "Unberechenbarkeit" durchsetzte Gefuegsamkeit beschraenkt ist. Unser politisches Vokabular ist ein unzusammenhaengender Mischmasch von Pseudokategorien, die erstens gewaehrleisten, dass alle ausser den idiosynkratischsten politischen Positionen letzten Endes die systematische Zerstoerung der ethischen Gesellschaft aufwerten und beschleunigen, und zweitens, dass wir in unserem Babel taub sind fuer die Sargnaegel der krassen Tyrannei, die hinter den Mauern buerokratischer Festungen eingeschlagen werden. Aber da wir auf Medienberater hoeren, werden wir verschlungen von den "Tagesfragen", jenen Antworten (nicht Fragen), die geheimnisvoll in unser Bewusstsein hineinsickern. Aber von woher und auf welche Weise? Politik und der Politiker sind, wie ich angedeutet habe, das Medium des Beraterhandwerks. Um die Arbeit des Beraters zu verstehen, sollte man sich abwenden vom Gedanken selbstangemasster "Macht" und sich stattdessen der Kunstgeschichte zuwenden, denn die Berater sind Pygmalione, fuer die ein Kandidat oder ein Anliegen eine Masse ist, die es in einen Genre zu formen und ins Leben zu erwecken, mit Gleichgewicht und Rhythmus zu versehen und in der Eroberung der Herzen und Sinne der waehlenden Masse zu ueben gilt. Man koennte leicht argumentieren, dass die Orchestrierung eines Multimediawahlkampfes--besonders eines, der auf eine nationale Erneuerung durch das Anzapfen voelkischer Mythen abzielt--Richard Wagners Totalkunstvision der Oper bemerkenswert aehnlich ist, auch wenn er in weit groesserem Massstab ausgefuehrt wird. Und dies sollte eigentlich ueberhaupt nicht ueberraschen, denn die fuer den Modernismus so charakteristische "Demokratisierung" der Kuenstlertaetigkeit mag sich auf lange Sicht als eine unbedeutende Abweichung von dem sozialen Muster herausstellen, das seit Jahrtausenden durchgaengig schoepferische Taetigkeit definiert hat: das Maezenatentum des Staatsoberhauptes. Was immer man von solchen Beobachtungen halten mag, das Oeuvre Ailes' und seinesgleichen--David Garth, Larry McCarthy, Robert Squier, und Roger Stone, um nur einige zu nennen--kann einem sicher eine Lektion erteilen. Dass heutzutage jemand, der nicht hoffnungslos naiv ist, jemand anderen der "Politisierung der Kunst" oder der "�sthetisierung der Politik" beschuldigen oder sich damit bruesten koennte, ist lachhaft--als ob die beiden Sphaeren wie durch ein Wunder voneinander getrennt geblieben waeren, eingefroren wie Walt Disneys Leiche seit den sechsundfuenfzig Jahren, als Benjamin den ueberzitierten Essay schrieb, den ich oben zitierte. Diesen Regisseuren--und nicht den Legionen selbsternannter Kuenstler, deren lautstarkes "oppositionelles" Posieren bloss die Werte und Institutionen, die sie zu kritisieren vorgeben, bestaetigen, da diese als perfektionierbar hingestellt werden--werden sich Historiker in ihrer Suche nach der exemplarischen Kunst des spaeten 20. Jahrhunderts zuwenden: denn letzten Endes sind sie die Nachkommen der Avantgarde, deren unorthodoxes Werk in verschiedenen Medien und Methoden von traditionalistischen Warenherstellern in jeder Kunstart verurteilt wird, waehrend es zur gleichen Zeit definitiv jene Begriffe formuliert, die die letzteren diskutieren, und den soziopolitischen Kontext formen, in dem sie es tun. Die Regierung der Stadt ist in eurer Hand, und das ist recht, denn ihr seid die Kraft. Aber ihr muesst auch faehig sein, Schoenheit zu fuehlen; denn so wie keiner von euch heute auf Macht verzichten kann, so hat keiner das Recht, auf Dichtung zu verzichten. Ihr koennt drei Tage ohne Brot leben--ohne Dichtung, niemals; und die unter euch, die das Gegenteil sagen koennen, irren; sie haben den Verstand verloren. --Baudelaire -----BEGIN PGP SIGNATURE----- Version: 2.6.2 iQEVAwUBMMaIX3Shd2boiy7BAQEwOwf8Cr1KVftzc2rJeQr7Mr7UQXi8KEYvgk1e tGJjq8/ChGIhhxjZjqklm8omAELcMMzsZISvKxukHA1egu6D2hsFicNOvT1GNTqA qMX/u5jtBxr34NxoTUWMDrlpQtPCS1a7X7pZxykpMqZFE9EGHwIiZ/yuD5nhSEgc EDfSbfCTJXB8IztM2tYg0w/Bh5Y8up6BN6WjReRgkjmTzdVvX5+PoZzrqmsV5C3X IjigFH1NJTZmEv/djAJc6HwrXBGyVL3MXW1xVXNfQq1wGuuUpYK3684pWo38ZrgZ HPlaAWCjk8w933e32KcyM73YfRYPiAPOqtZEoH6di/+oEGQPPsBPPQ== =aIUs -----END PGP SIGNATURE-----