Holger Bruns on Thu, 27 May 1999 18:57:44 +0200 (CEST) |
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<nettime> Re: Ashford-Warnung |
Die Bombardierungen erzeugen neue Furcht vor dem Atomkrieg von Mary-Wynne Ashford ("Times-Colonist", 13. Mai 1999, Seite A15) �bersetzung von Robert Levin Dr. Mary-Wynne Ashford ist die Vizepr�sidentin der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War), die f�r ihre Arbeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden. Ich schreibe mit einem gewaltigen Gef�hl der Dringlichkeit und Furcht. Ich war gerade bei einem Seminar in Moskau und anschlie�end bei einem weiteren im Olof Palme Institut in Stockholm. Die Treffen haben mich �berzeugt, dass wir durch eine ungewollte Eskalation des Krieges gegen Jugoslawien am Rande eines Atomkrieges stehen. Die westliche Presse und das Fernsehen berichten nicht �ber den deutlichen Politikwechsel Russlands hinsichtlich der Atomwaffen. Die Medien unterstellen, die Warnungen der Russen vor einem drohenden Weltkrieg und ihre Weigerung, START II zu unterzeichnen, seien die �blichen politischen Drohungen, um Zugest�ndnisse von den USA und Kredite vom IWF zu bekommen. Diese Betrachtungsweise ignoriert die tiefgreifende Ver�nderung der �ffentli- chen Meinung in Russland, die sogar von Moskauer Mitgliedern der International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW) ausgedr�ckt wird. Eines unserer langj�hrigen Mitglieder in der IPPNW Russland, Dr. Dawidenko, vertritt nicht mehr Atomwaffen- Abr�stung, sondern nukleare Abschreckung. Das Treffen mit Alexander Arbatow, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses der russischen Staatsduma, l�ste bei uns tiefe Betroffenheit aus. Arbatow stellte fest, dass die amerikanisch-russischen Beziehungen durch die Nato-Bombardierungen Jugoslawiens "auf dem schlechtesten, ernstesten und bedrohlichsten Stand seit der US-sowjetischen Berlin- und Kuba-Krisen" sind. Er stellte fest, dass START II tot, die Zusammenarbeit mit der Nato auf Eis gelegt und die Zusammenarbeit in der Raketenabwehr geplatzt und die Bereitschaft Moskaus betreffend die Nicht-Verbreitung (von Atomwaffen, der �bers.) am Tiefpunkt ist. �berdies sei die anti- amerikanische Stimmung in Russland real, tiefgreifend und verbreiteter denn je. Der Spruch, mit dem die NATO-Aktion charakterisiert wird, "heute Serbien, morgen Russland" sei "im Bewusstsein der russischen Menschen tief verwurzelt". Arbatow war verbittert �ber 10 Jahre verpasste Gelegenheiten auf beiden Seiten. Die Abr�stungsgespr�che waren bereits vor dieser Krise abgew�rgt worden. Wissenschaftler, Politiker, �rzte und Gener�le sagten uns alle das gleiche: Dass die NATO-Bombenangriffe auf Jugoslawien die Abr�stung um 20 Jahre zur�ckgeworfen haben. Einige meinten, Indien und Pakistan seien jetzt sicher, sie h�tten Atomwaffen und andere Staaten wie Nordkorea w�rden ihr Atomwaffenprogramm ausweiten. Vertreter von Minatom, der russischen Atomenergie- Beh�rde dr�ckten ihre Besorgnis �ber die 22 Atomreaktoren in der Konfliktregion aus. Eine Bombe, die versehentlich einen Reaktor tr�fe, w�rde eine schlimmere Katastrophe als Tschernobyl verursachen. Regierungssprecher sagten uns mehrfach, dass Russland die Bombardierungen keinen weiteren Monat dulden werde und sich auf seine Atomwaffen verlassen m�sse, weil die konventionellen Streitkr�fte darniederl�gen. Ich frage nun: Wenn das leere Drohungen sind - was unterscheidet sie von wirklichen Drohungen? Die Glaubw�rdigkeit der Menschen, mit denen wir gesprochen haben, hat mich �berzeugt, dass diese Drohungen ernst gemeint sind. Die Meinung ist in den meisten L�ndern und selbst in Friedensorganisationen geteilt, ob die NATO- Bombardierungen ein humanit�rer Eingriff sind, um V�lkermord zu stoppen oder ein aggressiver Akt der NATO. Ihre Auswirkung auf die Atomwaffen ist jedoch eine extrem ernste Entwicklung. F�r uns war die �bereinstimmung in den Aussagen h�chst besorgniserregend - sowohl der Teilnehmer des Moskauer Seminars als auch der Sprecher, die wir sp�ter im Au�en- und Gesundheitsministerium trafen. Die einzige Ausnahme war Dr. Jewgeni Chazow. Er sagte, wir m�ssten uns in dieser sehr gef�hrlichen Situation von neuem um atomare Abr�stung bem�hen. Dr. Chazow meinte, wir w�ren jetzt auf den Stand von 1981 zur�ckgefallen, als er und der amerikanische Kardiologe Dr. Bernard Lown die IPPNW gr�ndeten, allerdings werde unsere Arbeit nun schwieriger sein. Die russischen Sprecher missbilligten "ethnische S�uberungen" (ethnic cleansing) und unters�tzten Milosevic nicht. Aber Dr. Sergej Kapitsa, ein Wissenschaftler, der durch seine w�chentliche Fernsehsendung bekannt ist, stellte fest, dass die Russen sich in gewisser Weise vom Westen betrogen f�hlen und nachhaltig das Vertrauen in Vertr�ge und die Vereinten Nationen verloren haben, da die NATO au�erhalb der UN handeln. Vorher waren sie zuversichtlich gewesen, dass Russland auf eine Integration mit Europa zusteuern w�rde und machten sich lediglich hinsichtlich der Sicherheit der S�d- und Ostgrenzen Gedanken. Jetzt sehen sie die gr��te Bedrohung im Westen. Offizielle Au�enpolitiker (Waffenkontrolle und Abr�stung) sagten uns, Russland h�tte keine andere Wahl als auf Atomwaffen zur�ckzugreifen, da ihre konventionellen Milit�rkr�fte unzureichend seien. Als ich meinte, "Falls Russland nur eine einzige Atomwaffe einsetzen w�rde, h�tte dies den Abschuss von Hunderten oder Tausenden von Raketen der USA zur Folge", nickten sie und sagten, "Ja, das w�re Selbstmord, aber wie k�nnen wir uns sonst verteidigen?" Als ich Moskau verlie�, empfand ich die gleiche Furcht wie in der Reagan-Zeit, das gleiche Gef�hl von Unwirklichkeit. W�hrend die Russen diese Situation mit der Kuba- Raketen-Krise vergleichen, erz�hlen uns Journalisten im Westen, der Krieg sei jetzt so gut wie vorbei und Verhandlungen unter Beteiligung der Russen w�rden vorbereitet. Warum sind sie sich dessen so sicher, wo doch Milosevic sich zu nichts bereit erkl�rt hat und die Bombardierung der chinesi- schen Botschaft die Spannungen dieses Krieges noch erh�ht hat? Selbst wenn die Bombardements jetzt gestoppt werden - die Ver�nderung der Haltung Russlands dem Westen gegen�ber, der R�ckgriff Russlands auf Atomwaffen und dessen verlorenes Vertrauen in internationales Recht liefern uns schutzlos der Katastrophe aus. Die unter uns, die in NATO-L�ndern leben, m�ssen ihre Regierungen �berzeugen, die Bombardierungen zu beenden, weil nur durch Verhandlungen eine Vereinbarung erreicht werden kann. Diese Krise macht die Abr�stung der Atomwaffen dringlicher denn je. Denen die meinen, die russischen Drohungen seien nur Rhetorik, gebe ich zur Antwort, dass mit Rhetorik Kriege beginnen. Die Welt ist in der gef�hrlichsten Krisensituation. Wir m�ssen alle unsere Netzwerke mobilisieren, bevor wir in den letzten Krieg schlittern. 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