Florian Cramer on Mon, 1 May 2000 15:34:45 +0200 (CEST)


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Re: [rohrpost] Warum es zuwenig interessante Netzdichtung gibt - Neun Thesen


Am Mon, 01.May.2000 um 00:59:19 +0200 schrieb Valentina Djordjevic:
> >2  Netzdichtung sollte das Internet nicht nur als fl�chtiges 
> >Aufschreibe-und Distributionssystem nutzen
> 
> So sehr Du recht hast mit der Beurteilung, dass der Begriff von 
> Netzliteratur zu weit gefasst wird, denke ich, dass Dein Begriff von 
> Netzdichtung ist zu eingeschr�nkt ist.
> Damit fallen verschiedene interessante sprachliche Ph�nomene aus dem 
> Raster, die erst durch die Revolutionierung der Distribution im Internet 
> entstehen konnten, z.B. kollaborative Projekte wie Fan Fiction, die vor 
> allem in den USA Serienhelden aus Film und Fernsehen als Volksdichtung 
> wieder aufnehmen. (Aber dabei w�ren wir wahrscheinlich wieder bei der alten 

Ist diese Fan Fiction denn wirklich neu und ein Produkt des Internets, -
oder gab es sie z.B. nicht schon in der (papiernen) Fanzine-Kultur? Das
Ph�nomen der Umdichtung, der Parodie und Travestie popul�rer Stoffe 'von
unten' ist schon seit der Antike bekannt; Bachtin begr�ndet darauf eine
ganze Literaturtheorie. Sie als "Internet-Literatur" zu beschreiben, greift
vielleicht auch deshalb zu kurz, weil diese parodistische Praxis sich nicht
aufs Internet beschr�nkt, sondern theatral ins Alltagsleben ausdehnt -- auf
'fan conventions' und z.B. in den Verk�rperungen des mexikanischen Comic-
und Film-Superhelden "Santo" im mexikanischen Wrestling und im mexikanischen
Politaktivismus. Filme wie 'Galaxy Quest' oder der auf einer Fan Fiction
basierende japanische 'Godzilla vs. Biollante' zeigen, da� diese
Erz�hlstoffe nicht nur von den Filmstudios in die Erz�hlungen und
Performances der Fankulturen flie�en, sondern auch umgekehrt.

Ich stimme Dir gerne zu, da� das Internet solchen Erz�hlformen neue
Aktualit�t verleiht, weil es zum einen die Distribution popul�rer Kultur
beg�nstigt, zum anderen ihre intertextuelle Fortschreibung durch die
M�glichkeiten des Cut'n'paste, bzw. die Zirkulation von Text in ohne
Abtippen prozessierbarem Quellcode.

Florian

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