"Heitmüller, Ulrike" on 26 Jan 2001 14:19:57 -0000 |
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AW: [rohrpost] Davos Interview |
Hallo Herr Grether, Ihr Interview ist zwar sehr interessant - aber eins habe ich nicht verstanden: Hat Ihr Interviewpartner die Streichungen vorgenommen? Und wie heißt er? Dabke und Gruß, Ulrike Heitmüller > -----Ursprüngliche Nachricht----- > Von: Reinhold Grether [SMTP:[email protected]] > Gesendet am: Mittwoch, 24. Januar 2001 20:25 > An: [email protected] > Betreff: [rohrpost] Davos Interview > > [Interview fuer das FAZ.NET ueber Davos. Habe es > aufgrund der Streichungen (( )) abgesagt.] > > [Zuvor die korrigierte URL des Artikels > Albert Kuhn, Die Seattle-Menschen > http://surf.agri.ch/albertkuhntext/seattle.htm > und die Homepage des Prag-Fotografen > Immo Klink http://www.immo.co.uk/ ] > > > Seattle, Prag, jetzt Davos - im Internet organisieren sich > die Gegner der Globalisierung. Dabei bildet sich ein > weltumspannendes Netzwerk. Ist das die eigentliche > Globalisierung? > > Auf keinen Fall. Globalisierungsbewegungen gibt es seit > dem Altertum. ((Damals entstanden multizivilisatorische > Reiche, Weltreligionen, Fernmedien wie die Schrift und > erste Formen von Weltgeld. Heute sind wir alle Teil einer > umfassenden Globalisierungswelle, die tief in unseren Alltag > eingreift.)) Was wir in den genannten Staedten sehen, sind > Ansaetze einer eigenstaendigen Globalisierungsbewegung > von unten. Globalisierung soll nicht das Monopol einiger > Weltfirmen und Weltmaechte sein, sondern ein breit > angelegter Partizipationsrahmen, der den Menschen nach > dem familiaeren, sozialen und nationalen nun auch einen > globalen Handlungsspielraum verschafft. > > Trifft dann der Begriff Globalisierungsgegner überhaupt? > > Das Spektrum ist sowohl breit als auch im Fluss. Wer sich > antiglobalistisch aeussert, tritt gegen eine einseitig oekonomisch > ausgerichtete Globalisierungsstroemung an. ((Dabei bedient > er sich globaler Informations-, Kommunikations- und > Verkehrstechnologien und bringt so sein Interesse an > einer am Menschen ausgerichteten Gegen-Globalisierung > zum Ausdruck. Deshalb scheint mir der Hauptakzent nicht > auf antiglobalistischem Rueckzug aus planetarischen > Vernetzungen, sondern auf weltkulturkapitalbildender > Zivilisierung von Globalisierung zu liegen.)) Im Gegensatz > zu den dreissiger Jahren des 20. Jhs. geht es nicht um > Errichtung nationaler Festungen, sondern um erste > Artikulationen von Weltgesellschaft. > > Handelt es sich also um zwei Globalisierungstendenzen die > miteinander konkurrieren? > > Man stilisiert es so. Und holzschnittartig stimmt es auch. Die > oekonomische Globalisierung misst alle Lebensumstaende > an ihrer Weltmarkttauglichkeit, die gesellschaftliche > Globalisierungsbewegung fordert Beteiligung aller an > den entstehenden globalen Guetern. Aber freilich gibt es > zwischen diesen beiden Postitionen unzaehlige > Feinvermittlungen. Die radikale Konfrontation > ist mehr ein Medieneffekt, um uns aufzufordern, radikal > ueber das Design globaler Handlungsraeume nachzudenken. > > Welche der beiden Bewegungen ist Ihrer Ansicht nach > weiter, wenn es um das Erkennen von Chancen, aber > auch Risiken der vernetzten Kommunikation geht? > > Spannende Frage. Technisch waere es kein Problem, die > Firmensitze der Global 500 in exterritoriale Rechner zu > verlegen, die wahlweise auf Hochseeplattformen oder > Satelliten untergebracht werden. Unternehmenssteuern > sind dann kein Thema mehr. Auf der anderen Seite geben > die modernen Kommunikationstechnologien kleinsten > Gruppierungen globale Aktionschancen. Angriffe auf > Rechnernetzwerke koennen Geschaeftsablaeufe > empfindlich stoeren. Im globaliserungsumkaempften Alltag > haben auf kurze Sicht kleine, gut vernetzte Gruppierungen > beste Optionen zur Generierung weltweiter Aufmerksamkeit. > Wenn sie beweglich bleiben, die Fronten offenhalten und > ihre Basis stetig verbreitern, koennen sie die planetarische > Zukunft mitgestalten. > > Sehen Sie die Gegensätze zwischen beiden Bewegungen > als einen Kampf, den nur eine Seite gewinnen kann? Gibt > es Perspektiven auf einen Ausgleich? > > Das Globale und das Virtuelle sind die Herausforderungen > unserer Zeit. Alles und jedes ist dabei, sich zu globalisieren > und zu virtualisieren. Kaempfe um die Gestaltung der neuen > Handlungsraeume sind unvermeidlich. ((Mit einem Schuss > Optimismus darf man annehmen, dass Gegensaetze Ideen > freisetzen, die einen gemeinsamen Evolutionspfad eroeffnen. > Die Aufgabe ist freilich gigantisch.)) Es geht darum, den > Institutionenrahmen einer Weltgesellschaft zu erfinden und > verbindlich werden zu lassen, der die groesstmoegliche Zahl > einschliesst und die Entwicklungsmoeglichkeiten aller freisetzt. > > ((Eine letzte Frage: Stößt nicht genau diese Idee an enge > Grenzen? Nicht alle Menschen haben Zugang zum Netz, > das Gefälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist > auch was die Nutzung des Internets angeht, vorhanden. > > Laengst bevor der Computer das letzte Dorf erreicht, hat > der genetische Umbau des Menschengeschlechts schon > begonnen. Ich bin weit davon entfernt, den Computer als > Heilsbringer anzusehen. Menschen haben immer schon in > Nah- und Fernnetzen zugleich gelebt. Die Computervernetzung > verschafft dem vernetzten Teil der Menschheit neue > Moeglichkeiten der Fernkommunikation und des Fernhandelns. > Vielleicht entwickelt der unvernetzte Teil der Menscheit > im Gegenzug neue Formen des lokalen Umgangs, der Naehe > der Menschen zueinander. Es ist allerdings eine Anstrengung > wert, die Durchlaessigkeit und den Uebergang zwischen > Nah und Fern in beide Richtungen so leicht wie moeglich zu > machen. "Du musst Dich nicht dermassen anschliessen lassen", > schrieben die nettime-Begruender Lovink und Schultz. Aber > Personen und Bewegungen, Regionen und Staaten, die > ueber Computervernetzung Zugang zur Weltdynamik suchen, > sollte der Einstieg - auch mit privater, konsortialer und > staatlicher Hilfe - in jeder Hinsicht geebnet werden. Dass > Quantenspruenge der Entwicklung moeglich sind, zeigen > sowohl die indische Softwareindustrie als auch die > Zapatista-Bewegung in Chiapas, die ueber Internet > die ganze Welt fuer sich einnahm und gerade ein drahtloses > Breitbandnetz installiert. Subcomandante Marcos, der > beruehmteste Schimuetzentraeger aller Zeiten, war nicht > umsonst Professor fuer Medienentwicklung.)) > > > ---------------------------------------------------------- > # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur > # Info: [email protected]; msg: info rohrpost > # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen > # Entsubskribieren: [email protected], msg: unsubscribe rohrpost > # Kontakt: [email protected] -- http://www.mikro.org/rohrpost ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: [email protected]; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: [email protected], msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: [email protected] -- http://www.mikro.org/rohrpost