Krystian Woznicki on Sat, 3 Nov 2001 08:42:18 +0100 (CET) |
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[rohrpost] TELEPOLIS: Kunst hat etwas mit Kommunikation zu tun |
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen von <[email protected]> gesandt. ---------------------------------------------------------------------- Kunst hat etwas mit Kommunikation zu tun Tilman Baumg�rtel 03.11.2001 Vorher/Nachher: bei einem Kunstprojekt in Berlin kann man bei Ebay das Recht ersteigern, ein Kunstwerk zu ver�ndern Viel ist in dem Ausstellungsraum nicht zu sehen. Durch das Schaufenster erkennt man nur einen Computermonitor samt Tastatur, der auf einem Sockel steht; ansonsten ist der wei� gestrichene Galerieraum v�llig ausger�umt. Durch seine vollkommene Leere unterstreicht er noch den Eindruck, hier eine typische Galerie, einen vollkommenen "White Cube" vor sich zu haben. Das hatten sich Karlheinz Jeron und Joachim Blank eigentlich etwas anders vorgestellt. Urspr�nglich sollte bei ihrem Projekt "Public White Cube" endlich mal wieder richtige Kunst in einem richtigen Raum zu sehen sein. Nach fast zehn Jahren Arbeit mit dem Internet als k�nstlerischem Medium wollten sie wieder physische Kunstwerke in einer Galerie zeigen, und nun das: Peter Friedl hat eine Internet-Arbeit abgeliefert - genau das, was die K�nstler, die unter anderem das Berliner Internetprojekt Internationale Stadt Berlin gegr�ndet haben und als Netzk�nstler unter dem Namen sero.org bei der letzten documenta teilgenommen haben, diesmal vermeiden wollten. Friedls Arbeit ist eine banale Neuauflage der kollaborativen Schreibexperimente, die seit Mitte der 90er Jahre in endloser Neuauflage wieder und wieder im Internet durchgespielt worden sind. Unter dem Namen verschiedener fiktiver Figuren kann man einen Dialog f�hren, der K�nstler ist sogar selbst mit von der Partie. Was in der Zeitrechnung des Internet eine lang �berwundene Phase der Netzkunst ist, kann Friedl, dem die k�nstlerischen Aktivit�ten im Internet offenbar nicht einmal ansatzweise bekannt sind, noch einmal selbstbewusst aufw�rmen. Das St�ck, so wie es jetzt im Internet steht, ist allerdings noch nicht einmal eine Schreibmaschinenseite lang, und besteht gegen Ende hin nur noch aus Kurzeintr�gen, mit denen offenbar jemand �berpr�fen wollte, ob das Ganze �berhaupt funktioniert - ein Schicksal, dass Friedls Arbeit, die zu allem �berfluss auch noch [1]Blow Job hei�t, mit vielen partizipativen Online-Schreibexperimenten gemeinsam hat. Die Interaktion zwischen verschiedenen Kollaborateuren, f�r die das Internet so �beraus geeignet ist, funktioniert nicht automatisch, sondern nur unter bestimmten Umst�nden und mit bestimmten Regeln - eine Erfahrung, die in der Netzszene inzwischen gelernt ist, von Peter Friedl allerdings noch nicht. Genau diese Art von Kollaborations-Erfahrungen aus dem Netz wollen Blank und Jeron wieder in die Galerie zur�ck�bertragen. Denn Friedls Arbeit wird im Rahmen eines Projektes gezeigt, dass als "Public White Cube" Interaktion mit Kunstwerken im realen Raum erlauben soll. Im [2]Projektraum in der Berliner Galerienmeile Auguststrasse wird von Blank und Jeron, die mit dem Berliner Autor Gerrit Gohlke zusammenarbeiten, seit Oktober Kunst gezeigt, die die Zuschauer ver�ndern d�rfen - allerdings gegen Bezahlung. Wer ein Kunstwerk nach seinen Vorstellungen ummodeln m�chte, muss das Recht dazu bei dem Internet-Auktionshaus [3]Ebay erwerben. Dort, wo sonst vor allen Dingen alte Gameboys, aufgegebenen Briefmarkensammlungen und Aschenbecher aus den 70er Jahren im Angebot sind, kann man nun das "Kunstver�nderungsrecht" erwerben. Wer bei einer Auktion siegt, darf so gut wie alles mit dem Kunstwerk tun. Sogar die Arbeit zerst�ren. Um nicht ihren Projektraum abrei�en zu m�ssen, behalten sich die K�nstler allerdings doch ein Vetorecht bei Ver�nderungen an der Bausubstanz vor. "Wir wollen nicht, dass die T�r zugemauert wird und wir drau�en stehen. Auch Gesetzesverst��e erlauben wir nicht", sagt Joachim Blank. Das hat bisher allerdings auch noch niemand vorgeschlagen, und die K�nstler wundern sich schon dar�ber, wie zahm die Kunstver�nderungen bis jetzt ausgefallen sind. Im Oktober zeigten sie eine Wandinstallation des Berliner K�nstlers Adib Fricke. Sechsmal konnte man bei Ebay mitsteigern, um als Meistbietender etwas an der Arbeit zu ver�ndern. Ein frisch gebackener K�nstler stellte einen Blumentopf mit Farn in einer Ecke vor dem Kunstwerk auf, ein anderer bat darum, den Raum rot auszuleuchten zu lassen, ein dritter lie� das Schaufenster des Projektraums mit Papier zukleben. Den "Vorher/Nachher"-Effekt kann man auf der [4]Website des Projekts studieren. F�r das Recht, die Kunstwerke umzubauen, haben die Kunstver�nderer zwischen 80 und 150 Mark bezahlt; einer kam sogar aus M�nchen angereist, um "sein" Werk zu besichtigen. Dabei offenbarte sich eine verbl�ffende Parallele zu den vielen partizipatorischen Arbeiten im Internet: so wie zum Beispiel Douglas Davis [5]The World's Longest Sentence und Mark Napiers [6]Digital Landfill von vielen Usern vor allem daf�r genutzt wird, sich selbst und die eigene Homepage zu promoten, so versuchen auch beim "Public White Cube" andere K�nstler auf ihr eigenes Werk hinzuweisen. Die K�nstlerin Carina Randl�v verstrickte die Wandinstallation von Adib Fricke in eine kunstvolle Konstruktion von Gummib�ndern, eine Herangehensweise, die sich direkt aus ihrer k�nstlerischen Methode ableitet. Das "breite Publikum", das Ebay frequentiert, um gebrauchte Inline-Skates zu ersteigern, hat die Kunstaktion allerdings noch nicht entdeckt. Bisher sind die meisten Teilnehmer an den Auktionen aus dem Kunstumfeld, wenn sie nicht sogar selbst K�nstler sind. Eine weitergehende Partizipation w�re dabei durchaus w�nschenswert, aber auch hier reguliert sich der Markt selbst und l�sst den Gro�teil der Ebay-Kunden an der Kunst vorbei zu anderen Gesch�ftsfeldern weiter surfen. Ebay selbst hat sogar schon in verschiedenen Foren auf die Aktion hingewiesen. Nun sehen die Manager des Internet-Flohmarks dem Experiment gespannt zu: vielleicht entwickelt sich hier ja gerade etwas, aus dem man ein neues Business-Modell entwickeln k�nnte. Das ist freilich nicht die Hauptmotivation der K�nstler: "F�r uns hat Kunst etwas mit Kommunikation zu tun", sagt Joachim Blank. Statt das Werk eines einzelnen K�nstler-Genies zu zeigen, wollen sie eine Zusammenarbeit zwischen vielen ausl�sen. "In anderen Galerien sieht man sich die Kunst an und geht wieder", sagt Karlheinz Jeron. "Bei diesem Projekt kann man selbst an der Gestaltung der Arbeit teilnehmen." Die Interaktion, die im Internet leicht m�glich und eine definierende Eigenschaft der Netzkunst ist, soll hier im wirklichen Raum unter ver�nderten Bedingungen durchgespielt werden. Dabei ist die M�glichkeit zu Partizipation bei dieser sozialen Plastik viel weiter gefasst als bei den meisten Netzarbeiten, bei denen es oft nur Buttons zu klicken gibt. Jenseits der totalen Zerst�rung ist viel m�glich, und ab sofort kann man nun auch wieder mitbieten. Wer das Kunstver�nderungsrecht ersteigert, kann zum Beispiel den Stecker herausziehen lassen. Oder den Monitor verh�ngen. Oder alles so lassen, wie es ist. Links [1] http://www.projektraum.org/drama/text.html [2] http://www.projektraum.org [3] http://cgi.ebay.de/aw-cgi/eBayISAPI.dll?ViewItem&item=1480981121 [4] http://www.projektraum.org/ausstellungsarchiv.html [5] http://ca80.lehman.cuny.edu/davis/Sentence/sentence1.html [6] http://www.potatoland.org/landfill/ Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/sa/9961/1.html ---------------------------------------------------------------------- Copyright � 1996-2001 All Rights Reserved. Alle Rechte vorbehalten Verlag Heinz Heise, Hannover ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste fuer Medien- und Netzkultur Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost Info: http://www.mikro.org/rohrpost Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de