Krystian Woznicki on Fri, 25 Jan 2002 15:51:04 +0100 (CET)


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[rohrpost] Re: SMS Encounters


Hi,

zur vermeintlichen sozialen Relevanz des Handys und SMS
Nachrichten hier ein aktueller Artikel, der unter dem Titel
  >SMS Alarm< erschien.

Gruss,

Krystian

- http://www.berlinergazette.de

Die Technik soll es richten

25. Jan 08:45

Das Handy soll vor Katastrophen warnen, der Zentralrechner Terroristen
aufsp�ren. Die meisten dieser Pl�ne aus dem Innenministerium sind
unausgegoren und steigern lediglich das Sicherheitsgef�hl.

Von Matthias Kaufmann

W�hrend die V-Mann-Panne im Verfahren um das NPD-Parteiverbot hei�
diskutiert wird, bleibt ein anderer Schildb�rgerstreich aus dem
Innenministerium fast unbemerkt: Vergangene Woche vereinbarte Otto Schily
mit der Deutschen Telekom die Entwicklung eines Systems, das B�rger per
Handy-Kurznachricht (SMS) vor Katastrophen und Terrorangriffen warnen soll.
Auf den ersten Blick mag die Idee so abwegig nicht erscheinen. Spielt man
sie aber konkret durch, stellt sie sich als wenig hilfreich heraus. Man
stelle sich vor: Ein sonniger Tag in Dortmund, das Handy piepst. Auf dem
Display steht lapidar: �Achtung! Das Bundeskanzleramt brennt!� Und nun?
Nach Berlin fahren, l�schen helfen? Oder einfach die SMS l�schen, so, wie
man es sonst mit unerw�nschten Werbenachrichten macht?

Was spricht gegen die Sirene?

Eine Warnung per SMS ist nicht ann�hernd so glaubw�rdig wie eine
Radio-Durchsage oder so wirkungsvoll wie die gute alte Sirene, die den
Vorteil hat, dass auch wirklich jeder B�rger sie h�ren kann. Die
Informationsweitergabe per SMS mag zwar in Echtzeit funktionieren, aber
auch nur dann, wenn die weiterzugebenden Informationen �berhaupt verf�gbar
sind. Eine so schnelle und hoch diversifizierte Reaktion der
Sicherheitskr�fte wie �Vorsicht, Amokl�ufer direkt hinter Ihnen!� wird es
nicht geben. Wozu dann so nah ran an den Einzelnen, wenn die Information
nicht personalisiert ist? Stellt das tats�chlich einen Gewinn an Sicherheit
dar oder eher eine Verunsicherung? Und welche Schritte sind die n�chsten?
Werden in Zukunft s�umige Steuerzahler oder Parkplatzs�nder per SMS
ermahnt? So weit gehen die �berlegungen im Innenministerium noch nicht.

Allheilmittel Technik

Schilys Technik-Euphorie ist erstaunlich. Immer wieder neue
Sicherheitsvorschl�ge kreisen um die Bereiche Internet und Mobilfunk. Mit
einer ungebremsten Fortschrittsbegeisterung, die an die F�nfzigerjahre
erinnert, soll offenbar das Grundgef�hl ziviler Sicherheit
wiederhergestellt werden, das uns bis zum gro�en Knall am 11. September
wohlig einlullte. Doch wie in den F�nfzigern erweist sich auch heute dieser
Fortschrittsglauben als zwiesp�ltig. Zum Beispiel der IMSI-Catcher, ein
Ger�t, mit dem man Standort und Identit�t eines Handy-Nutzers feststellen
kann. Nach einigen Erfolgen in der Drogenfahndung wurde die Nutzung des
Ger�tes untersagt, weil damit auch Telefongespr�che abgeh�rt werden k�nnen.
Benutzt wird es dennoch, und Otto Schily betreibt die Legalisierung des
Catchers.

Scheitern an der Datenflut

Das zentrale Problem des Handy-Detektors ist die Umkehrung der
Unschuldsvermutung. Wird etwa das Handy eines Unbeteiligten bei einer
verbotenen Demonstration aufgesp�rt, einfach nur, weil er zuf�llig in der
N�he ist, so sieht er sich automatisch einem Generalverdacht ausgesetzt,
den er widerlegen muss. Dieses Schn�ffeln aufs Geratewohl verursacht zudem
ein methodisches Problem: Es produziert viele Verd�chtige, aber kaum
Beweise. Das gilt umso mehr, je umfassender die �berwachung ist. Das FBI
etwa benutzt die Software �Carnivore�. Das Programm analysiert automatisch
landesweit Faxe, E-Mails, Surfverhalten, und SMS. Schily w�re an einer
�hnlichen Software interessiert, will sich jedoch nicht in technische
Abh�ngigkeit von den USA begeben und scheut die Kosten einer
Eigenentwicklung. Dabei w�rde er nur die gleiche Erfahrung wie das FBI
machen: Die erdr�ckende Flut so gewonnener Daten half nicht, den 11.
September zu verhindern.

Viel Fantasie f�rs Netz

Auch im Bereich �Cyber War� sind die Planungen ambivalent. Hinter dem
Begriff verbirgt sich das Manipulieren oder Lahmlegen von Datennetzen, oft
mit erschreckend geringem Aufwand. Bei sogenannten Delivered Denial of
Service-Attacken (DDoS) wird ein Server so lange mit Anfragen und Datenm�ll
�berh�uft, bis er �berlastet ist und den Dienst versagt. Einerseits
f�rchtet Schily diese Attacken als terroristisches Instrument. Andererseits
schloss das Innenministerium vor einiger Zeit zumindest die M�glichkeit
nicht aus, solche Techniken selbst anzuwenden, um rechtsradikale Webpages
lahm zu legen. Da sie international verbreitet werden, aber von der
Rechtsprechung ihres �digitalen Ursprungslandes� � des Ortes also, an dem
der Server steht � gesch�tzt sind, kann nationales deutsches Recht hier
nicht zur Anwendung kommen. Schily selbst hatte DDoS in einem anderen
Zusammenhang als �Straftatbestand der Computersabotage� bezeichnet. Von dem
Gedankenspiel, so etwas selbst zu nutzen, musste das Ministerium nach
�ffentlichen Protesten wieder Abstand nehmen.

Technik ist �ber jeden Verdacht erhaben

Die ministerielle Technik-Euphorie ist Teil eines gr��eren Ph�nomens.
Zwischen den Parteien, aber auch zwischen den Innenministerien der L�nder
tobt ein ��berbietungswettkampf� der Sicherheitsmethoden, so Schilys eigene
Wortsch�pfung. Dabei will offenbar jeder um jeden Preis der modernste
Besch�tzer sein. Es geht aber auch um die Akzeptanz der neuen Rigidit�t.
Seit den sogenannten Sicherheitspaketen muss um B�rgerrechte wieder
gestritten werden, auch gegen beh�rdliche Willk�r, wie es scheint. Computer
jedoch haben den Nimbus der �berparteilichkeit. High Tech, so die stille
Botschaft, ist �ber Willk�r erhaben. Sie filzt jeden mit derselben
Gr�ndlichkeit. Alle sind gleich � vor dem Zentralrechner der B�rger�berwachung.

Unser Autor ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Journalist in
Frankfurt am Main.

http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=585&item=175905

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