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Re: [rohrpost] SZ über geplantes Medienkunstzentrum in München


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>Von: Florian Cramer <[email protected]>
>An: [email protected]
>Betreff: [rohrpost] SZ über geplantes Medienkunstzentrum in München
>Datum: Don, 18. Jul 2002 11:43 Uhr
>



Hamburg meint dazu:


http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,205122,00.html


Subkultur fŸr Lederhosen
Die MŸnchner Kulturreferentin Lydia Hartl sorgt fŸr jede Menge Zoff - und
will nun mit einem hochtrabenden Medienkunst-Projekt ihren Ruf reparieren.



Mit klinisch auffŠlligen †berreaktionen kennt sich Lydia Hartl bestens aus:
Als Humanmedizinerin und Psychologin erforschte sie einst das Mysterium der
Hysterie. Seit zwšlf Monaten versucht sich Hartl nun als spŠt berufene
Politikerin im Amt der MŸnchner Kulturreferentin - und ihre Arbeit sorgt fŸr
massive Dauerempšrung mit durchaus hysterischen ZŸgen.

Das erste Jahr ihrer Amtszeit sei eines "voller Gegenwind gewesen", sagt
sie; im zweiten "wird sich daran nicht viel Šndern". Das zeugt von
nŸchternem Realismus - darf aber durchaus auch als Drohung verstanden sein.

Denn nicht nur in Berlin und Hamburg herrscht dauerhaft LŠrm und Streit um
die Kulturpolitik; in MŸnchen hat es die resolute Kulturdame Hartl, 46,
geschafft, fŸr besonders ausgiebigen Terz zu sorgen.

Erbost zetert etwa die MŸnchner "Abendzeitung" Ÿber die "verblasene
AmtstrŠgerin" und fragt in einer †berschrift schon mal, ob die frŸhere
Vorzeigeakademikerin den Titel "Frau Prof. Dr. Dr. Ÿberfordert" verdiene.
Die "SŸddeutsche Zeitung" vermisst im Gebaren der Referentin "Geschick und
Lust am Taktieren, an Lobbybildung und Intrige" und konstatiert, Hartl habe
"fast die ganze Stadt gegen sich aufgebracht". Die "Frankfurter Allgemeine"
hŠmt: "Hartl dekonstruiert sich selbst."

Nur die Zyniker der bayerischen KŸnstlerwelt gewinnen dem Streit um Hartl
auch Positives ab: Immerhin, so hei§t es mitunter, werde die MŸnchner
Kulturszene endlich wieder bundesweit wahrgenommen.

Kurioserweise hat Hartl bisher ihre Gegner vor allem dadurch erzŸrnt, dass
sie in schwer verstŠndlichem, aber hochtrabendem Kauderwelsch allerhand
verkŸndete, aber weitgehend untŠtig blieb - und nebst wolkigem Gerede brav
stŠdtische SparbeschlŸsse umsetzte, etwa bei stŠdtischen BŸchereien, Museen
und BŸhnen.

Nun aber mšchte die gelernte Medizinerin, die in den neunziger Jahren als
Expertin fŸr Neue Medien an der Hochschule fŸr Gestaltung in Karlsruhe
lehrte, richtig auftrumpfen: Am Donnerstag dieser Woche will Hartl ihr lang
erwartetes "Konzept zur Fšrderung der Medienkunst in MŸnchen" prŠsentieren.
Der Versuch, in MŸnchen mit einer trendigen Internet- und
Multimediakunst-Einrichtung eine Art spŠten Urknall der virtuellen Kultur
auszulšsen, soll die rotgrŸn regierte Stadt eine knappe Million Euro kosten.


FŸr €rger sorgt Hartls Plan unter anderem, weil er als erste
Zukunftsma§nahme vorsieht, eine bestehende Institution fŸr Internet-Kultur
aufzulšsen: das MŸnchner Medienforum. An dessen Stelle mšchte die
Politikerin ein zeitlich befristetes Projekt mit dem hippen Namen "Lab21"
grŸnden - und sich dazu mit dem technisch hoch aufgerŸsteten
Forschungsinstitut Fraunhofer verbŸnden. Sie ahnt da "auch fŸr die
Wirtschaft enorme Impulse".

Pech fŸr Hartl, dass selbst im gerade noch so fortschrittsseligen Bayern die
Cyberspace- und Dot.com-Euphorie mittlerweile verpufft ist - da wirkt ihre
immer wieder verschobene Medienkunst-Offensive plštzlich merkwŸrdig
deplatziert.

Hartl indes drŠngt nun zur Eile. Es bestehe sonst die Gefahr, warnt sie in
ihrem Papier, dass MŸnchen "den Anschluss an die kulturellen Anliegen der
jŸngeren Generationen verpasst".

Peinlich nur, dass sich ausgerechnet die jungen ortsansŠssigen
MedienkŸnstler und Ausstellungsmacher in offenen Briefen beschweren - etwa
darŸber, dass sie nicht in die Zukunftsplanung eingebunden wurden. Fast
tŠglich, mitunter sogar stŸndlich, werden in MŸnchen zwischen
Zeitungsredaktionen, KŸnstlern und dem Kulturreferat VorwŸrfe,
GegenvorwŸrfe, Stellungnahmen und Dementis ausgetauscht - es scheint so, als
stritte in der stŠdtischen Kunstszene jeder mit jedem und alle mit Hartl.

Mit so viel Zoff dŸrfte MŸnchens OberbŸrgermeister Christian Ude (SPD) nicht
gerechnet haben, als er Hartl im Juli 2001 einstellte: als Ersatz fŸr den
zum Kulturstaatsminister befšrderten Julian Nida-RŸmelin - und als hoch
qualifizierte Wunderwaffe. Damals kriselte die MŸnchner Old und New Economy
zwar schon (einschlie§lich Kirch-Konzern und dem einstigen Bšrsenliebling
EM.TV), noch hoffte man aber den Mythos von Laptop, Lederhose und TV-Zukunft
retten zu kšnnen; und die neue Kulturreferentin schien die Richtige zu sein,
um ihn mit intellektuellem Internet-Glamour anzureichern.

Schon ihren AmtsvorgŠnger Nida-RŸmelin beriet Hartl in Sachen Neue Medien;
umgesetzt habe der aber, wie sie sagt, nur wenige ihrer Ideen: "Wohl
deshalb, weil er am Widerstand der AnhŠnger der so genannten Hochkultur
gescheitert ist."

Einwenden lie§e sich, dass die angebliche Subkultur der Medienkunst lŠngst
selbst etabliert ist - nur hie§e das, eine schšne MŸnchner Tradition zu
verkennen: Hier werden die KulturkŠmpfe noch mal ausgefochten, die sich
anderswo lŠngst erledigt haben; manchmal ein wenig hysterisch, aber immer
voller Lust.

ULRIKE KN…FEL
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