Gerald Raunig on Sat, 7 Sep 2002 14:45:03 +0200 (CEST) |
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[rohrpost] Re:republicart kunst/aktivismus/netzkultur? |
um noch mehr rauschen in die etwas verwirrte debatte um kunst, aktivismus, etc. zu bringen, hier der deutsche manifest-text zu republicart, der u.a. auch hinweise gibt auf die politischen funktionen von netz/kunst/kulturinitiativen. ansonsten empfiehlt sich zu den angeschnittenen differenzierungen auch ein blick in die texte unter hybrid?resistance http://www.republicart.net/disc/hybridresistance/index.htm gruss, g. --- rePUBLICart Manifesto REPUBLICart "Ein wirkungsvoller Begriff des postmodernen Republikanismus wird nur au milieu zu bestimmen sein, auf der Grundlage der gelebten Erfahrung der globalen Multitude." (Michael Hardt/Antonio Negri) Republik zielt nicht auf die Reform einer Staatsform, auf �berlegungen zu einer Rettung des in die Krise geratenen Nationalstaates oder zu dessen Transformation in einen oder mehrere Superstaaten. Im Blickpunkt unserer Untersuchungen stehen die konkreten Erfahrungen von nicht-repr�sentationistischen Praxen, die konstituierenden Aktivit�ten vor allem in den Bewegungen gegen die �konomische Globalisierung. Die Kunst der res publica soll dabei nicht implizieren, mit revolution�r-romantischem Pathos die Gr�ndung einer neuen globalen Gemeinschaft zu bejubeln. Es geht um die experimentellen Formen von Organisierung, die sich im Kleinen und meist in prek�ren und zeitlich begrenzten Situationen entwickeln, die neue Modi der Selbstorganisation und deren Verkettung mit anderen Experimenten erproben. Die "organisierende Funktion" der Kunst (Walter Benjamin) schafft sich neue R�ume in den �berlappenden Nachbarschaftszonen zu politischem Aktivismus und Theorieproduktion. rePUBLICart "Wir erleben eine Politisierung, die viel radikaler als jede uns bisher bekannte ist, weil sie dazu tendiert, die Unterscheidung zwischen dem �ffentlichen und dem Privaten aufzul�sen - nicht im Sinne des Eingriffs in das Private durch einen einheitlichen �ffentlichen Raum, sondern im Sinne einer Vermehrung radikal neuer und verschiedener politischer R�ume." (Ernesto Laclau/Chantal Mouffe) �ffentlichkeit ist weder vorg�ngige Substanz noch unver�nderliches Terrain. Was z�hlt, ist nicht das Einklagen oder auch nur die Vorstellung einer einzigen �ffentlichkeit (sei sie nun eine exklusive f�r privilegierte Schichten, sei sie eine allumfassende Meta�ffentlichkeit), sondern die permanente Konstituierung von pluralen �ffentlichkeiten, die den vielen Facetten der Multitude entsprechen: eine Vielheit von �ffentlichkeiten, nicht statisch gedacht, sondern als bewegliche Produkte artikulatorischer und emanzipatorischer Praxen. In solchen raumzeitlichen Situationen wird das Differente in Bezug zum Differenten gebracht, wird die Voraussetzung geschaffen, dass differente Positionen zum Austausch kommen. Die Grenzen solcher R�ume sind durchl�ssig, sie selbst dadurch weder exklusiv-ausschlie�end noch inklusiv-vereinheitlichend. Es geht also nicht um die konsensuelle Identitarisierung von �ffentlichkeit, sondern um deren konfliktuelle �ffnung. Es geht nicht um Homogenisierung und totale Transparenz, sondern um Konflikt in Permanenz, die st�ndige Neuverhandlung differenter Positionen. Ein Publicum als konsumierend-voyeuristische Figur ist hier undenkbar, gegen die Rezeption des Spektakels setzt sich die Produktion singul�rer Ereignisse, gegen die "Person der �ffentlichkeit" eine Pluralisierung der Subjektivierungsweisen. rePUBLICART Public Art boomte schon zu Beginn der 90er Jahre in vielf�ltigen Spielarten: partizipatorische Praxen, Community Arts, New Genre Public Art, Kommunikationsguerilla, konkrete Intervention, Aktivismus etc. brachten eine Verschiebung der k�nstlerischen Interessen von Erkenntnisfragen auf soziale und politische Aktivit�ten. Statt Objekten traten tempor�re Projekte in den Vordergrund, statt Einzelk�nstlerInnen Communities, statt Kunstkonsum Partizipation. Ab der Mitte der 90er h�uften sich kritische Stimmen, die diesen politischen Kunstpraxen vorwarfen, depolitisierend zu wirken oder reformistisch an der Durchsetzung neuer Formen der neoliberalen Expansion mitzuwirken. Als Argumente angef�hrt wurden u.a.: die zweifelhafte Funktion der Projekte in Prozessen der Gentrification oder im Verschleiern des R�ckbaus sozialstaatlicher Strukturen, die Vereinnahmung als Mittel der Tourismuswerbung zugunsten der Aufwertung von St�dte-Image, die Instrumentalisierung der Differenz von marginalen Themen und Gruppen, die R�ckkehr des "K�nstler-Vaters" durch die Hintert�r. Als Teilaspekt und Effekt dieser kritizistischen Welle kam es auch im Kunst-Mainstream zu einem merklichen Backlash, einem R�ckzug in die alten R�ume, einer R�ckkehr zu den Fragen von Erkenntnis und Erfahrung in der Rezeption. Nun lassen sich Anzeichen eines neuerlichen Umschwungs bemerken. Was den Praxen der 90er gefehlt hat, scheint in einer neuen Situation gegeben: die Einbettung in einen gr��eren Kontext, die Ankn�pfung an soziale Bewegungen. In Zusammenhang mit den heterogenen Formen der Kritik an der �konomischen Globalisierung scheint sich eine Transformation der alten Formen von Interventionskunst und die Entstehung neuer Praxen anzuk�ndigen. Das Wieder-�ffentlich-Werden von Kunst im Kontext politischer Bewegungen zeichnet sich ab. Um die Themenbereiche und aktivistischen Str�nge von Globalisierung, Grenzregimes und Migration entstehen die Bedingungen daf�r, dass "revolution�re Maschine, Kunst-Maschine und analytische Maschine wechselseitig Bestandteile und R�der voneinander werden" (Gilles Deleuze/F�lix Guattari). http://www.republicart.net/manifesto.htm [derzeit deutsch, englisch, franz�sisch, kroatisch, slowenisch, spanisch] ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/