Florian Cramer on Mon, 16 Sep 2002 18:55:05 +0200 (CEST) |
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Re: [rohrpost] fc und =?iso-8859-15?Q?Fehl?==?iso-8859-15?Q?lekt=FCren?= |
Hallo, am Freitag, 13. September 2002 um 02:10:53 Uhr (+0200) schrieb [email protected]: > kann man denn eine theorie aus der vergangenheit (rsp. die > philosophie, die dahinter steht) f�r sp�tere interpretationen (oder > Fehllekt�ren) verantwortlich machen ?? Aus meiner Sicht: nat�rlich. Eine Kritik, die die Rezeption einer Theorie au�er acht lie�e, w�re ja nicht nur weltfremd, sondern auch werkimmanent. Ich sehe �brigens hinsichtlich solcher Kriterien keinen wesentlichen Unterschied zwischen einer Theoriekritik einerseits und einer Kunst- oder Literaturkritik andererseits. > [Das erinnert mich im ton an bisschen an adornos "Jargon der > Eigentlichkeit".] > > eine theorie oder ein denksystem ohne schwachpunkte sind f�r mich nicht > vorstellbar (ausser es handelt sich um theologie oder den absoluten weltgeist). Nein, es ging mir ja nicht darum, eine Theorie ohne Schwachpunkte - an die wohl nur Ajatollahs der analytischen Philosophie glauben - zu fordern, sondern Theorien (oder �berhaupt: Texte, Kunstwerke) auch von ihren Fehllekt�ren her zu deuten. Die Frage ist nicht, ob eine Theorie keine, sondern welche Fehllekt�ren sie hervorbringt. Fehllekt�ren k�nnen ja auch gut, interessant und produktiv sein und gerade dadurch die Qualit�t ihres Bezugstexts beweisen. (Man denke z.B. an die geradezu grotesken, aber fantastischen Fehllekt�ren des Literaturtheoretikers Michael Bachtin, den man drei�ig Jahre lang f�lschlich f�r einen Strukturalisten hielt - so z.B. Julia Kristeva in ihrer Intertextualit�tstheorie.) > bleibt denn nicht immer von einem historischen diskurs auszugehen ? > auch und vor allem bei dem "einzigen brillanten > globalisierungskritiker" marx, dessen werke in sich ja auch > widerspr�chlich sind und auf andere philosophen, denksysteme > verweisen. als "vorgeblich materialistische Umschreibung > idealistischer politischer Theologie" w�rde ich sie keinesfalls > reduzieren wollen. Nein, aber das ist - aus meiner Sicht - sein Schwachpunkt, aus einer materialistischen Kritik eine immaterialistische Utopie abzuleiten, die alter chiliastischer Plunder in atheistischer Verkleidung ist. > sehe ich nicht, dass "marxistisch-leninistische und stalinistische > Fehlaneignungen" sie "dekonstruiert" h�tten. da ist wohl eher von dem > gegenteil einer dekonstruktion auszugehen. Wenn man Dekonstruktion (mit Derrida) als Selbstdurchkreuzung einer geschlossenen oder vordergr�ndigen Textbedeutung definiert und die T�tigkeit einer dekonstruktiven Kritik als ein Aufzeigen dieser internen Br�che, so zeigen die leninistischen und stalinistischen Lekt�ren und Aneignungen von Marx tats�chlich die Br�che seiner Theorie auf. -F -- http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/homepage/ http://www.complit.fu-berlin.de/institut/lehrpersonal/cramer.html GnuPG/PGP public key ID 3200C7BA, finger [email protected] ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/