Henning Ziegler on Tue, 17 Sep 2002 16:35:07 +0200 (CEST) |
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AW: [rohrpost] republicart theoriekiste, kurze antwort auf henning ziegler und florian cramer |
"vielleicht ist das hier nicht der richtige ort f�r eine
tiefergehende debatte �ber theorie-diskurse, aber der ausgangspunkt war
ja anderer. deshalb hier nochmal ein nachhaken"
Wieso keine Theoriedebatten? F�r meinen Geschmack war's bisher eher zu
lasch...
"Wir kamen zu dem Ergebnis, da� man "minorit�re Medienpraxen" und
�hnliche deleuzianischen Attribute nolens volens auch rechtsradikalen
Subkulturen zuschreiben mu�."
Das kann doch endlich als Schluss zur leidigen republicart-Geschichte
stehen. Florian hat meiner Meinung nach hinreichend die Widerspr�che des
Projekts erkl�rt.
::
Henning Ziegler
http://userpage.fu-berlin.de/~hziegler
New article:
"The Digital Cowboys - Hackers as Imagined Communities"
in NMEDIAC, The Journal of New Media & Culture, Summer 2002
http://www.nmediac.net
> -----Urspr�ngliche Nachricht-----
> Von: [email protected]
[mailto:[email protected]]
> Im Auftrag von Florian Cramer
> Gesendet: Donnerstag, 12. September 2002 15:40
> An: [email protected]
> Betreff: Re: [rohrpost] republicart theoriekiste, kurze antwort auf
> henning ziegler und florian cramer
>
> Am Donnerstag, 12. September 2002 um 09:35:19 Uhr (+0200) schrieb
Gerald
> Raunig:
>
> > ich hab den eindruck, dass sich die diskussion hier allzusehr auf
dem
> > typischen festhalten an theoretikerInnen-namen aufhaengt.
>
> ...welches das Manifest allerdings auch provoziert, wenn es gleich mit
> einem Negri-/Hardt-Zitat beginnt und in seine knapp hundert Zeilen
auch
> noch Benjamin, Laclau/Mouffe und Deleuze/Guattari unterbringen mu�.
Es
> liest sich daher wie ein Strategiepapier aus Polit-Theoriezirkeln,
nicht
> aber wie ein selbstbewu�tes k�nstlerisches Manifest, das ja seinem
Titel
> zufolge eine �ffentlichkeit ansprechen und kreieren soll. (Womit ich
> keiner Theoriefeindlichkeit das Wort reden will, sondern nur einem
etwas
> souver�neren Diskurs.)
>
> > nicht zu sprechen sein, hier wird durch das manifest hauptsaechlich
die
> > zentrale politische forderung nach ueberlappenden aktivitaeten in
den
> > nachbarschaftszonen von politischen kunstpraxen, aktivismus und
> > theorieproduktion aufgenommen.
>
> Interessant f�nde ich zu h�ren, inwiefern diese Forderung �ber �ltere
> Ans�tze - z.B. der Situationisten in den 1950er/60er Jahre, der "Art
> Workers Coalition" und der "Produzentengalerien" in den 70er Jahren
und
> den cultures studies-beeinflu�ten Projekten wie "ACT!UP" und den
> deutschen "Wohlfahrtsaussch�ssen" der fr�hen 90er Jahre - hinausgeht
> oder sie einfach mit z.T. neueren Theorie-Referenzen aktualisiert.
>
> > wie die theorien zur multitude und zur pluralisierung von
> > oeffentlichkeit in einen produktiven transversalen zusammenhang
(vgl.
> > http://igkultur.at/igkultur/transversal/1018733810) gebracht werden
> > koennen, wird nicht zuletzt ein thema fuer das dreijaehrige projekt
> > republicart und sein webjournal auf www.republicart.net sein. fuer
> > ambitionierte textversuche in diese richtung waeren wir sehr
dankbar.
>
> Problematisch hieran - wie �berhaupt an dem Manifest und Projekt -
> scheint mir zu sein, da� ein strategischer Theorie-�berbau gezimmert
> wird, der sich nicht einmal teilweise aus Kunst und ihrer Anschauung,
> sondern allein aus einer politischen Betrachtung der Gesellschaft
> legitimiert, und in dem Kunst potentiell zu einem Anh�ngsel wird, das
> diesen �berbau offenbar nur nachvollziehen soll. Interessant w�re aus
> meiner (meinetwegen "jungliberalen" und "�sthetizistischen") Sicht,
wenn
> k�nstlerische Praxis diesen �berbau auch dadurch mitgestalten k�nnte,
> da� sie ihn mitsamt seiner Pr�missen unterminiert. Alle guten
> Kunsttheorien der letzten hundert Jahre waren genau deshalb gut, weil
> sie dies an sich zugelassen haben; man denke an Jakobsons Theorie der
> poetischen Funktion, die an futuristischer ZAUM-Dichtung geschult war,
> oder an Derridas Dekonstruktion, deren Pr�misse der Widerst�ndigkeit
> eines Kunstwerks gegen Deutungen es ebenfalls nicht ohne die
�sthetische
> Erfahrung moderner Kunst gegeben h�tte.
>
>
> > mein humor droht an seine grenzen zu geraten bei der zusammenschau
des
> > subjects "republikanerkunst" (henning ziegler) und der flapsig
> > unterstellten moeglichkeit, das manifest koennte genauso von
> > rechtsradikaler seite kommen (florian cramer).
>
> Das war keinesfalls flapsig gemeint, sondern als kritische Fu�note zu
> zentralen politischen Passagen des Manifests wie
>
> "Es geht um die experimentellen Formen von Organisierung, die sich im
> Kleinen und meist in prek�ren und zeitlich begrenzten Situationen
> entwickeln, die neue Modi der Selbstorganisation und deren Verkettung
> mit anderen Experimenten erproben."
>
> und selbst:
>
> "Es geht also nicht um die konsensuelle Identitarisierung von
> �ffentlichkeit, sondern um deren konfliktuelle �ffnung. Es geht nicht
um
> Homogenisierung und totale Transparenz, sondern um Konflikt in
> Permanenz, die st�ndige Neuverhandlung differenter Positionen."
>
> ...die zwar alle l�blich sind, mir politisch aber zu unscharf
> erscheinen. "Selbstorganisation" und andere subkulturelle Attribute
(das
> Deleuze-Guattarianische "Rhizome" z.B.), ja, selbst "Konflikt" und
> "Differenz" lassen sich n�mlich problemlos auf rechtsextreme
> Jugendkulturen anwenden, die zumindest hier im Osten Deutschlands alle
> Codes und Attribute eines popkulturellen Undergrounds und leider auch
> einer Gegen-�ffentlichkeit tragen. Ich erinnere mich an eine
Diskussion
> dar�ber mit Andreas Broeckmann, Sean Cubitt, Pauline van Mourik
Broekman
> und anderen Teilnehmern des "Minor Media"-Panels der Hamburger
> "Interface 5" im Sommer 2000. Wir kamen zu dem Ergebnis, da� man
> "minorit�re Medienpraxen" und �hnliche deleuzianischen Attribute
nolens
> volens auch rechtsradikalen Subkulturen zuschreiben mu�. Ein solcher
> Passus, mit Bezug auf das "Thule-Netz", findet sich �brigens auch in
> Inke Arns' Buch "Netzkulturen".
>
> Auf eine terminologische Affinit�t von Deleuze/Guattari zu Le Pen wies
> �brigens Samuel Weber in einem Vortrag hin, der 1997 im Rahmen der
> Documenta X stattfand. Er begr�ndete diese Verwandtschaft einleuchtend
> durch den gemeinsamen R�ckbezug auf Bergsons Lebensphilosophie.
>
> > solche unterstellungen funktionieren nur bei sehr ungenauem lesen,
> > sowohl des manifests wie der werke gramscis wie der ausfluesse
> > rechtsextremer lyriker.
> > gramscianisch (was wiederum nicht heisst, dass damit eine
politische
> > abgrenzung von gramscis theorien gemeint ist).
> > gerade andre zogholys publikation, auf die florian cramer verweist,
> zeigt
> > relativ klar, dass es sich bei der rechten entwendung etwa des
begriffs
> der
> > "kulturellen hegemonie" um vulgaergramscianische versatzstuecke
handelt.
>
> Das sei ja nicht einmal bestritten. Nur finde ich es zu simpel, eine
> unangenehme Lesart oder Aneignung nur deshalb zur�ckzuweisen, weil man
> ihr Ungenauigkeiten nachweisen kann. Ich w�rde im Gegenteil behaupten,
> da� sich die Qualit�t einer Theorie am besten an den Fehllekt�ren
zeigt,
> die sie erm�glicht. Da� Gramsci (und auch D/G) rechtsextreme
> Fehllekt�ren erm�glicht, zeigt einen Schwachpunkt seiner Theorie auf,
> genau so, wie z.B. dem bisher einzigen brillanten
> Globalisierungskritiker, n�mlich Karl Marx, alle inh�renten Schw�chen
> (n�mlich die nur vorgeblich materialistische Umschreibung
idealistischer
> politischer Theologie) durch seine marxistisch-leninistischen und
> stalinistischen Fehlaneignungen gnadenlos aufgezeigt und dekonstruiert
> wurden.
>
> > dass theoreme entwendet und missbraucht werden, das ist derzeit grad
ein
> > ganz erfolgreiches spiel der rechten (zuletzt die europaweite
umkehrung
> des
> > hate-speech-konzepts im zusammenhang mit dem mord an pim fortuyn).
gegen
> > solche strategien der entdifferenzierung muesste es zunehmend um die
> kunst
> > der differenzierung gehen.
>
> Eine Differenzierung, die aber schon in der Theorie selbst angelegt
sein
> sollte. (Und meiner Meinung nach sollte man der extremen Rechten fast
> dankbar daf�r sein, wenn sie das "hate speech"-Konzept aufgreift und
> dadurch seine christlich-fundamentalistischen Wurzeln wieder sichtbar
> macht.)
>
> > das auseinanderhalten von links und rechts ist
> > oft einfacher als man denkt, wenn man nur will.
>
> Die Frage ist nicht, was Ihr wollt oder wollen k�nntet, sondern wie
> andere Euer Konzept aufgreifen. Zumindest dann, wenn Ihr ein Manifest
> schreibt und von "�ffentlichkeit" sprecht.
>
> Florian
>
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