Thomas Skowronek on Sun, 20 Oct 2002 12:25:07 +0200 (CEST) |
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19. Oktober 2002, 02:14, Neue Z�rcher Zeitung Cargo Cult im Cyberspace Jodi - Laborieren am Quellcode Seit 1995 geh�rt Jodi.org zu den bekanntesten Kunst-Adressen im Netz. Ihre Arbeit mit den selbstreferenziellen Mitteln der Browser-�sthetik hat in der Net-Community weltweit Schule gemacht. In der scheinbar starren Befehlssprache kommerzieller Software sp�ren sie produktive Fehlfunktionen auf und erzielen dabei Effekte, die andere auch mal als Defekte missverstehen. So wurde ihnen 1999 wegen ihrer Netzarbeit �oss� vom Host ihrer Website der Service gek�ndigt: �Wie Sie wissen, enth�lt eine ihrer WWW- Seiten b�sartiges Javascript, das den Browser abst�rzen l�sst . . .� Doch das B�sartige an �oss� ist vor allem komisch, ein Wuchereffekt der Browserfenster, der an ein Virus denken l�sst. Jodis subversives Spiel im Abc der Netz-Bildsprache l�sst sich als angewandte Kritik an den neusten Medien verstehen, vergleichbar mit Nam June Paiks techno-�sthetischen Untersuchungen von Fernsehen und Video. Jodi vergleichen ihre Arbeit mit einem �Cargo Cult�. Mit Lowtech- Mitteln thematisieren sie die Welt der Hightech- Erscheinungen. Die inflation�re Allgegenwart von Web-Adressen mit ihren vor allem im Englischen l�cherlich ausgesprochenen drei W �berh�hen Jodi zu einer magischen Beschw�rung: Ihre Hauptadresse wird nicht nur mit drei, sondern mit neun W, wwwwwwwww.jodi.org, geschrieben. RUDIMENT�RES Zu den neusten Arbeiten des holl�ndischen K�nstlerpaars Jodi (Joan Heemskerk and Dirk Paesmans) geh�ren die �Untitled Games�. Sie basieren auf dem Quellcode kommerzieller Ego- Shooter-Spiele, der von manchen Spielefirmen im Internet kostenlos zur Verf�gung gestellt wird. Jodi dekonstruieren diesen Code, das heisst, sie putzen alle Details weg und lassen nur die rudiment�re Raum- und Navigationssteuerung der Spiele �brig. Der Aufwand ist gross, denn aus Zigtausenden von Programmierzeilen m�ssen sie die entscheidenden Befehle erkennen, und jeder kleinste Fehler, ein falsch gesetztes Komma oder eine vergessene Silbe, macht die Programmierung unwirksam. Immer wieder m�ssen sie von der Programmierebene in die Bildebene umschalten, um die Effekte zu �berpr�fen. Von welcher �sthetischen Strategie die �Deprogrammier�-Arbeit in den �Untitled Games� geleitet wird, erkennt man beim Vergleich mit einem Vorl�ufer dieser Reduktionsversuche, Jodis �Wolfenstein�-Version. Bereits hier kommen sie mit wenigen Bildelementen aus, doch vereinzelt gibt es noch runde Formen und die grafische Andeutung von Gesichtern. In den �Untitled Games� dagegen sind alle visuellen Daten auf Fl�chen und Linien, rechte Winkel und wenige Farben reduziert. Diagonalen kommen vor, weil sie f�r die Illusion der Raumbewegung n�tig sind und, wie in der Spiel-Version �Ctrl-Space�, zu bizarren Op-Art-Effekten f�hren k�nnen. Auch die T�ne wirken reduziert und wie gepixelt. In Stereo best�rken sie das Gef�hl einer r�umlichen Bewegung, mal n�hern wir uns einer Tonquelle, dann entfernt sie sich wieder. So lassen sich die �Untitled Games� als �sthetische Untersuchungen virtueller R�ume verstehen, abgeleitet und abstrahiert von den hoch elaborierten �Salonmalereien� kommerzieller Computergames. BALLERN GEGEN DAS NUMINOSE Auf der Tonebene ist die Vorlage der Kampfspiele noch erkennbar. Man h�rt verhaltene M�nner/Monster-Schreie, ein Keuchen, das technoide Knurren von Hunden und schliesslich Schussger�usche, die man selbst per Tasten und Mausklick ausl�sen kann. Tats�chlich bleibt in den �Untitled Games� auf der Tonebene das Ego ein Shooter, man ballert gegen das Numinose des abstrakten Datenraums. Gelegentlich fahren Tabellen ins Bild, welche �ber die Anzahl erledigter und noch drohender �monsters� und �secrets� informieren. Im Untitled Game �Arena� wirkt das besonders irritierend, denn bei allem Schiessen, Knacken und St�hnen bleibt die Bildfl�che strahlend weiss. (Was mache ich bloss falsch, denkt man, und tastet und klickt an gegen das erhabene Monitorlicht.) In �Slipgate� dagegen kommt das Knurren erkennbar von einem angriffigen blauen W�rfel, der winselt, wenn man auf ihn schiesst, und ein schlechtes Gewissen erzeugt. Wer ist das Publikum f�r Jodis Bild- und Spiel- Studien? Die oberen zehntausend Kunstfreunde oder die Millionen Gamefreaks? Allm�hlich beginnt sich ein Publikum herauszubilden, das Anschluss hat an beide Sph�ren, das erkennt, wie sich im digitalen Spielbereich eine alte Welt von Bildern und Geschichten durch neue Raumerfahrungen und Rezeptionsweisen erweitert. Reinhard Storz Bis zum 27. Oktober 2002 pr�sentiert das plug in Basel die erste umfassende Einzelausstellung zur neuen Arbeit von Jodi. Dazu erscheint eine Printpublikation. Netzadressen: http://www.jodi.org (Download der �Untitled Games�). http://wwwwwwwww.jodi.org (offizielle Jodi-Site). http://www. 0100101110101101.org/home/jodi.org (Raubkopien fr�her Jodi-Arbeiten). http://myboyfriendcamebackfromth.ewar.ru/ (Download von �Wolfenstein�). http://oss.jodi.org (Seite mit �b�sartigem Javascript�). http://www.youplugin.org Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/2002/10/19/li/page-article8GOVV.html Copyright � Neue Z�rcher Zeitung AG _________________________________________________________________ MSN - More useful every day http://www.msn.de ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/