Henning Ziegler on Wed, 11 Dec 2002 17:25:24 +0100 (CET) |
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AW: [rohrpost] Lev Manovich, banales beispiel: der zoom im Acrobat Reader |
Etwas versp�teter Kommentar:
Ich war ja bereits aus Santa Cruz vorgewarnt vor Levs Vortragsstil, aber
ich fand (wie Florian) die Ideen mal wieder sehr weiterdenkbar. Schade
also, dass Lev offenbar sowohl von Kittler im Seminar wie auch an dem
Abend (durch Desinteresse) einfach abgewatscht wurde... immerhin konnte
er im Gegensatz zu Peter Weibel mit seinem Powerbook umgehen. Er ist
halt Praktiker und schmei�t manchmal unbeholfen mit Begriffen herum.
Davon abgesehen ist Lev's Buch sicher nach wie vor in der Pro
QM-Hitliste auf Platz 1, was einen dann auch wieder nachdenklich stimmen
sollte... Na ja, die deutsche Medienwissenschafts-Schizophrenie. Als
Amerikanist w�rde ich hier noch Verbindungen ziehen zur deutschen,
messianischen Erwartung und anschlie�enden, reflexartigen Ablehnung...
;-)
Henning
-----Urspr�ngliche Nachricht-----
Von: [email protected]
[mailto:[email protected]] Im Auftrag von Florian Cramer
Gesendet: Mittwoch, 4. Dezember 2002 18:54
An: [email protected]
Betreff: Re: [rohrpost] Lev Manovich, banales beispiel: der zoom im
Acrobat Reader
Am Montag, 02. Dezember 2002 um 23:07:51 Uhr (+0100) schrieb Heiko
Idensen:
> ... eine auseinandersetzung, die meiner meinung nach auch zeigt, dass
man mit
> den manovich-theorie-ansaetzen ganz gut ARBEITEN kann
> (im gegensatz zu vielen akademischen medien-theorie-spielereien
> und kopfgeburten ...)
Volle Zustimmung. Manovichs Vortrag bei der "performing media"-Konferenz
der FU Berlin war in dieser Hinsicht eine sympathische Katastrophe.
Sein Vortragsstil war ein einziges, sich verzettelndes Chaos und
strapazierte die Geduld des Publikums weit �ber Geb�hr. (Ungef�hr ein
dutzend Zuh�rer verlie�en den Saal vorzeitig.) Zudem waren seine Thesen
von der "cultural software" weder sonderlich elaboriert, noch
begrifflich durchgearbeitet oder gar koh�rent.
Dar�ber schien aber dem Publikum v�llig zu entgehen, da� er interessante
k�nstlerische Arbeiten zeigte, vor allem die von John Simon, von denen
er annahm, da� sie allerseits bekannt seien, ich aber wette, da� kaum
einem der Konferenzteilnehmer ein Begriff waren. Auch ging Manovichs
These, da� das Konzept der Medien bzw. neuen Medien an sein Ende
gekommen sei und durch "cultural software" ersetzt werden solle, im
Publikum unter bzw. wurde gar nicht erst ernstgenommen. Das war schade,
denn aus meiner Sicht h�tte es sich gelohnt, dies zu diskutieren.
So ist mir ein chaotischer Manovich, selbst in der Tagesform vom letzten
Freitag, sympathischer als eine Medienwissenschaft im �ffentlichen
Dienst, die trotz ihrer digitalen Forschungsgegenst�nde seit schon fast
zehn Jahren fast nichts gescheites z.B. �ber digitale K�nste und
Netzkulturen zu sagen wei�, weil sie sich selbst f�rs Netz und f�r einen
"hands-on"-Umgang mit Hardware, Software und Programmierung zu schade
ist und f�r zeitgen�ssische Kunst auch gar nicht wirklich interessiert
(es sei denn, sie kommt als Diskursprodukt aus denselben akademischen
Elfenbeint�rmen).
Dagegen ist Manovichs "Theorie" eine Art Steinbruch. Sie liefert immer
wieder interessante Ideen und Beobachtungen, die dazu einladen, sie zu
elaborieren und zu pr�zisieren. Dazu z�hle ich z.B. seinen Begriff der
"Datenbank als symbolischer Form" - die Idee allein ist genial,
wenngleich immer noch nicht vern�nftig weitergedacht-, ferner seine
Beobachtung, da� digitale Werke sich vor allem durch ihre
Transcodierbarkeit auszeichnen, und mit Einschr�nkungen auch das Konzept
einer "cultural software", die an die Stelle von Medien tritt.
Ich selbst w�rde zwar nicht von "kultureller Software" sprechen, weil
mir das als ein Pleonasmus erscheint (Software ist immer kulturell, es
sei denn, man begibt sich auf spekulative Gebiete wie die Genforschung),
aber vermutlich in �bereinstimmung mit ihm wie folgt formulieren: Bild-,
Ton- und Schrifttr�ger werden zunehmend nicht mehr als Einheit einer
digitalen Codierung mit einem Ausgabeger�t entworfen, wie z.B. noch die
Audio-CD und die Video-DVD, sondern nur noch als Software [siehe PDF,
Flash, DivX, mp3, HTML], die einem dynamischen Wandel - einem
permanenten Update-Zyklus - unterliegt, um noch stabil und
zufriedenstellend in Hardware implementiert zu werden. So tritt Software
dank der Tatsache, da� Computer als Universalmaschinen in sich jede
existierende und k�nftige Maschine nachbilden k�nnen, zunehmend und
systematisch an die Stelle klassischer elektronischer
"Medien"-Apparaturen. Die Politik und durchs Format ausge�bte Kontrolle
�ber "Medien" verschiebt sich dadurch vom staatlich kontrollierten
R�umen (die z.B. durch Sendelizenzen, Medienanstalten, internationales
Medien- und Urheberrecht geregelt werden) in Privatr�ume und �bt sich
zunehmend nicht mehr als Gesetz, sondern als in Software-Algorithmen
eincodierte Kontrollmechanismen aus, im Positiven wie im Negativen.
[Freie Software folgt dieser Logik ebenso wie Digital Rights Management
oder Microsofts "Palladium"-Architektur.]
- �ber all das h�tte man am letzten Freitag diskutieren k�nnen, doch es
schien, als wollten die Veranstalter die vermeintliche Peinlichkeit
von Manovichs Vortrag schnell abhaken, so da� es zu einer Diskussion
nicht mehr kam. (Man mu� den Konferenzteilnehmer allerdings
zugutehalten, da� sie von einem langen Tag und Manovichs gnadenloser
Zeit�berziehung ausgepowert waren.)
-F
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