geert lovink on Fri, 3 Jan 2003 01:45:06 +0100 (CET) |
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[rohrpost] Aufstieg und Fall von Pixelpark |
http://www.heise.de/ct/aktuell/data/jk-20.12.02-004/ Pixelpark: Von der Drei-Mann-Firma �ber den B�rsenliebling zum Sanierungsfall Die mehrheitlich zum G�tersloher Medienriesen Bertelsmann geh�rende Pixelpark AG z�hlte sich lange zu den f�hrenden europ�ischen Internetdienstleistern. Das 1991 in Berlin vom bisherigen Alleinvorstand Paulus Neef gegr�ndete Unternehmen geh�rte in den Boomjahren des Neuen Marktes auch zu den Top-B�rsenlieblingen. Neben dem Pixel f�r den kleinsten auf dem PC-Monitor darstellbaren Bildpunkt sollte die Silbe "Park" nach Firmenangaben f�r "eine angenehme, gewachsene Struktur" stehen sowie "Offenheit und Interdisziplinarit�t" ausdr�cken. Begonnen hatte alles im M�rz 1991 in einem Gartenhaus in Berlin. Paulus Neef und zwei Freunde entwickelten CD- ROMs f�r Unternehmen. Sp�ter kamen Multimedianwendungen sowie Dienstleistungen rund um das Internet und den elektronischen Handel hinzu. 1996 beteiligte sich Bertelsmann als Mehrheitseigent�mer an dem aufstrebenden Unternehmen, Neef besa� damals 25 Prozent. Anfang Oktober 1999 ging die Pixelpark AG mit einem Emissionskurs von 15 Euro an die B�rse. Im Fr�hjahr 2000 kletterte die Pixelpark- Aktie auf ihren H�chststand von 185 Euro. Das Unternehmen war damit fast vier Milliarden Euro wert. Mittlerweile kostet die Aktie weniger als 1 Euro. Im Boomjahr 2000 waren bei dem Konzern 967 Mitarbeiter besch�ftigt, davon 400 im Ausland. Im ersten Quartal 2001 besch�ftigte Pixelpark sogar knapp 1200 Mitarbeiter. Mit der B�rsen- und -Dot.com-Flaute brachen auch bei Pixelpark schwere Zeiten an. 2001 schloss das Unternehmen bei einem Umsatz von 81,3 Millionen Euro mit einem Rekordverlust von 86 Millionen Euro ab. Pixelpark verpasste sich ein straffes Sanierungskonzept. Die Zahl der Mitarbeiter ging zuletzt auf weit weniger als 600 zur�ck. Inzwischen ist Bertelsmann noch mit 60,3 Prozent beteiligt und Paulus Neef mit 17,7 Prozent. Der Rest befindet sich in Streubesitz. Nach drastischer Sanierung will Pixelpark nun deutlich kleiner und bescheidener weiter machen. In der Pixelpark-Gruppe sollen k�nftig nur noch 230 Mitarbeiter besch�ftigt sein, davon 100 in Deutschland. Mit einer "flexiblen Kernmannschaft" wird nun auf standardisierte und niedrigpreisige Internet-Angebote f�r den Mittelstand gesetzt. Schlusspunkt Anfang des Monats gab sich Pixelpark-Chef Paulus Neef allerdings noch geradezu trotzig. "Jetzt erst recht", verk�ndete der Firmengr�nder und Alleinvorstand des Internet-Dienstleisters. Da hatte Mehrheitsaktion�r Bertelsmann schon l�ngst seinen R�ckzug angek�ndigt, Analysten hatten die Aktie aufgegeben und Mitarbeiter zu Hunderten das Unternehmen verlassen. Selbst Aufsichtsratschef J�rgen Richter war zu diesem Zeitpunkt schon weg. So unerwartet der 61-J�hrige Ende November abgetreten war, so �berraschend l�ste er nun Neef an der Pixelpark-Spitze ab. �ber die Aufsichtsratssitzung, auf der dies am Mittwoch beschlossen wurde, wussten nicht einmal die Mitarbeiter Bescheid -- bis die Mitteilung kam, dass Neef "mit sofortiger Wirkung" abberufen worden sei. Gr�nde f�r die unehrenhafte Entlassung wurden keine genannt. Umso mehr wird spekuliert: In der Branche wird vermutet, dass letztlich ein Gesch�ft aus dem Jahr 2000 der Ausl�ser war. Dabei geht es um Vorw�rfe, Neef habe f�r die Pixelpark-Tochter ZLU viel zu viel an den Vater seiner Ex-Freundin bezahlt. Mit der K�ndigung d�rfte sich Neef allerdings kaum abfinden. Erwartet wird, dass er vor Gericht zieht. In der Zentrale war "der Paulus" seit Donnerstag jedenfalls nicht mehr zu sprechen. Besucher wurden freundlich abgewiesen. So entstand zumindest an der modernen Rezeption f�r einen Moment der Eindruck, als sei beim Internetdienstleister alles beim Alten. Aber schon vor Neefs Entlassung erinnerte in dem gestylten Fabrikhaus des ehemaligen Ost-Berliner Lampenherstellers Narva nichts mehr viel an die guten alten Zeiten der New Economy. In dem Klinkerbau mit f�nf Etagen stehen etliche B�ros leer. Auf den Fluren verlieren sich nicht einmal mehr 100 Mitarbeiter. Die v�llig �berdimensionierte Firmenzentrale ist symptomatisch f�r die Entwicklung des einstigen Vorzeigeunternehmens. Aus einer Drei-Mann-Agentur wurde ein Vorreiter einer Branche. Mehrheitsaktion�r Bertelsmann, Banken, Medien und Analysten feierten Pixelpark. Den Wendepunkt markierte dann die gescheiterte Fusion mit den weit gr��eren schwedischen Internetfirmen Cell Network/Matador im Fr�hjahr 2000. Da wackelte der Neue Markt bereits, es begann der Absturz der dot.com-Pioniere. Neef setzte dennoch weiter auf Internationalisierung und Expansion. Doch auch andere prominente Projekte wie das mit Ex-Tennisstar Boris Becker gestartete Internet-Portal Sportgate floppten. Schon vor eineinhalb Jahren kam aus der G�tersloher Bertelsmann-Zentrale die Order, auf die Kostenbremse zu treten. Jobabbau und die Schlie�ung von Auslandst�chtern folgten. Auf der Verkaufsliste von Bertelsmann stand das Unternehmen schon l�nger. Im Sommer soll das einstige Juwel sogar f�r einen symbolischen Preis von einem Euro angeboten worden sein. Selbst bis dato v�llig unbekannte Firmen nutzten dies zur Werbung in eigener Sache. Art und Weise der Sanierungs- und Verkaufsbem�hungen nervten am Ende auch Pixelpark-Aufsichtsratschef Richter, der zudem nicht zu allen Managern in G�tersloh einen guten Draht hatte. Mit dem Abgang Neefs bricht bei Pixelpark endg�ltig eine neue �ra an. "Pixelpark war sein Baby", sagen Mitarbeiter �ber die bisherige Schl�sselfigur Neef. Die d�rfte Richter, der mit der Dot.com-Glitzerwelt nie etwas anfangen konnte, eher nicht werden. Daf�r ist er als Sanierer anerkannt. Paulus Neef: Vom "Internet-Guru" zum "gefallenen Engel" Paulus Neef ist einer der letzten einstigen Internet-Stars, die die B�hne verlassen. Dass sich Neef von seinen Aktien trennen will, steht schon l�nger fest. Es ist gar nicht so lange her, als Neef zusammen mit SAP-Chef Hasso Plattner und Ericsson-Pr�sident Kurt Hellstrom von einem internationalen Wirtschaftsmagazin zu Europas zehn wichtigsten E-Business-Managern gez�hlt wurde. Im Februar 2000 war das, als die B�rse noch boomte, smarte Internet- und Dot.com-Neumanager der "Old Economy" das F�rchten lehrten und sich mit Siegerl�cheln �ber Wirtschaftsregeln und Warnungen der "alten Garde" hinwegsetzten. Manager wie Pixelpark-Gr�nder und -Chef Neef, schw�rmte damals nicht nur das Magazin, ver�nderten die Wirtschaft schnell und tiefgreifend. Schnell ging es in der damals viel gepriesenen "New Economy" in der Tat. Erst hoch hinaus an der B�rse mit etlichen Neumillion�ren- oder gar -Milliard�ren im Schlepptau. Hohe Verluste waren "in". Mit einer satten "cash-burn-rate" (Geldvernichtung) prahlten manche der CEO, CFO und COO, wie sich die Chefs der hoch gelobten Mini-Firmen weltm�nnisch gern nannten. Genauso schnell ging es mit den Internet-Gurus aber wieder bergab. Die geplatzte B�rsenblase machte aus Buch-Milliard�ren teils hoch verschuldete Pleitiers, denen zudem die Justiz und entt�uschte Aktion�re auf den Fersen sind. Zu den "gefallenen Engeln" des Neuen Marktes geh�rt der heute 42-j�hrige sp�testens seit Bekanntgabe des Pixelpark-Rekordverlustes von 86 Millionen Euro im Jahr 2001. Als Neef vor elf Jahren seine Multimediaagentur Pixelpark in einem Berliner Hinterhof gr�ndete, betrat er Neuland. Weder der Begriff Internet noch das Medium selbst waren bekannt. Bald fiel seine Firma durch flott gestaltete Internetseiten auf, der Aufstieg von Pixelpark und Neef waren rasant. Konzerne der "Old Economy" nutzten Pixelpark bei ersten zaghaften Schritten ins Internet. In den Boomjahren, als der Internet-Gury dann auf jede Party der "New Economy" eingeladen wurde und im Rampenlicht stand, soll Neef einmal Thomas Haffa sein Vorbild genannt und von dem "charismatischen Unternehmer" geschw�rmt haben. Anders als den inzwischen gescheiterten Showleuten des Neuen Marktes wie Haffa oder Peter Kabel lagen dem studierten Medienberater Neef �ffentliche Auftritte und PR-Rummel weniger. Er war allerdings eher ein Mann der Visionen und weniger der Betriebswirtschaft. Er tr�umte von "offenen, harmonischen" Strukturen. Gute Webseiten wollte er gestalten und das weltweit f�r namhafte Kunden. Mit Mitarbeitern, die sich "Pixel" nannten und "Paulus" duzten im lockeren Start-up-Flair. Eine Dependance nach der anderen wurde er�ffnet, das Gesch�ft breiter und internationaler. Als die Zeiten rauer, Pixelpark-Aktien wertloser und der Spa�faktor geringer wurden, musste sich Neef als einer der ersten "New-Economy"-J�nger sogar mit bisher verp�nten Betriebsr�ten auseinandersetzen. Nach den Pannen gestand Neef sp�ter: "Wir haben Fehler gemacht." Innovative Ideen allein, das habe er gelernt, seien keine Basis f�r stabile Wirtschaftlichkeit. J�rgen Richter: ein Skeptiker der New Economy �bernimmt Pixelpark Aus seiner kritischen Haltung gegen�ber der New Economy hat der erfahrene Medienmanager J�rgen Richter, der k�nftig Pixelpark leiten soll, nie einen Hehl gemacht: Als die Internet-Blase platzte und unz�hlige Dot.coms in den Abgrund gerissen wurden, f�hlte er sich mit seinen fr�hen Warnungen vor zu viel Online-Euphorie best�tigt. Mit seiner Berufung hat Richter seinen Ruf als "Feuerwehrmann" f�r heikle Aufgaben wieder best�tigt. Anfang Juli war er als Chef der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer zur�ckgetreten. Damals zog er die Konsequenzen aus der Entscheidung des mittlerweile abgel�sten Bertelsmann-Vorstandschefs Thomas Middelhoff, die profitable Tochter mit etwa 70 Einzelverlagen aus den Bereichen Wissenschaft, Verkehr und Bau zu verkaufen. Richter hatte von der Entscheidung aus der Zeitung erfahren. Dabei hatte Middelhoff den fr�heren Vorstandschef des Axel Springer Verlags zu einer Schl�sselfigur f�r den m�glichen B�rsengang des Medien-Multis auserkoren. Zusammen mit vier weiteren "Top- Bertelsm�nnern" sollte Richter den Konzern f�r den im Haus umstrittenen B�rsengang fit machen. Doch Richter gab fast alle seine �mter bei Bertelsmann auf. Der studierte Betriebswirt gilt als ausgezeichneter Kenner der deutschen Medienlandschaft. Als Gesch�ftsf�hrer der Konzernholding Medien-Union Ludwigshafen hatte er 1985 den vom Konkurs bedrohten Westermann Verlag gerettet. Als besonderer Fang galt Richters Erwerb der "Freien Presse" in Chemnitz, Ostdeutschlands gr��ter Zeitung. Erstmals kaufte damals ein westdeutscher Verlag ein Blatt aus den neuen L�ndern. 1994 wechselte Richter in den Vorstand der Axel Springer Verlags AG, nur zwei Monate sp�ter wurde er dessen Vorsitzender. Ende 1997 verlie� Richter den Axel Springer Verlag und wurde Vorsitzender Gesch�ftsf�hrer der Bertelsmann Fachinformation. Nach dem von ihm betriebenen Erwerb des wissenschaftlichen Springer-Verlags im Oktober 1999 �bernahm Richter die daraus entstandene Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer Science & Business Media. Unter dem Motto "Expansion nach Augenma�" f�rderte er die Verkn�pfung von gedrucktem Text und Online-Informationen. "New Economy wird nur mit Old Economy Erfolg haben", hatte er damals verk�ndet -- ein Credo, das sich als vorausschauend best�tigen sollte. (Andr� Stahl, Esteban Engel, Christoph Sator, dpa) / (jk/c't)