Matthias Weiß on Mon, 19 Jan 2004 13:04:57 +0100 (CET)


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[rohrpost] medien kunst netz


moin liste,

da mein posting seit ca. zwei stunden nicht angekommen ist, hier über 
einen zweitweg:

moin armin,

 > was mich generell interessieren wuerde, wie das mehr leser-
 > schreiberinnen auf dieser liste sehen, wie das insgesamt so mit der

mich auch, sehr!

 > luft haengt und dass eigentlich niemand so genau weiss, wovon die 
rede ist;

ist auch klar, die szene der "kunst"macher bzw. -programmierer, die sich 
in unserem, netz basierten metier häufig aus flaneuren zwischen 
ingenieurtum und bildender kunst bewegen (schwerpunkte sind variant 
zwischen digitalem hausmeister bis flash(wo)man) zusammensetzt, besitzt 
oftmals einen eklatanten mangel an künstlerischem. das liegt auch daran, 
dass malerei/bildnerei ibää sind (bloß nicht an geschichtliches 
anknüpfen, vielleicht stellt jodi -> mondrian-kontext eine ausnahme 
dar), wo doch das verständnis fürs material und form gerade in 
traditionellen künsten meines erachtens wesentlich ausgeprägtester ist, 
als bei flashern oder digitalinterventionisten.

und in ermangelung an kriterien und in verkennung der eigenen 
möglichkeiten und in der verweigerungshaltung gegenüber auslegung, 
welche die kritik aufgrund pathologischer technikmythisierung noch 
stärkt (zb. forkbomb (thx florian für die erweiterung meines 
deutungshorizontes)), liegt die crux, welche die kritiker immer wieder 
über die szene selbst rotieren lässt, statt endlich einmal 
beispielsweise formfragen über shulgins formexzesse (old hat, ich weiß) 
hinauszudenken und zu -analysieren.

ich hatte auf art.net.dortmund versucht, genau das anzuregen: harte 
methoden zur auslegung, statt immer nur selbstbezügliches szenegerede 
(s. esc-reader bethanien, tod von netzkunst). war leider nicht mit der 
einen und anderen lokalpolitik zu vereinbaren. armes art.net.dortmund. 
ein weiterer versuch einer zunächst positiv angedachten 
institutionalisierung (warum ist das eigentlich so übel?) ist leider- 
trotz der vollmundigen 5-jahresplanerei des dortmunder kulturdezernenten 
jörg stüdemann den bach runter. der büro-p3 600mhz von compaq aber rennt 
und rennt, bis er verbrennt! :-((

by the way: mittlerweile besteht einiges akademisch-kunsthistorisches 
interesse an der netzkunst (nicht zuletzt auch meine promotion (in 
arbeit)). es sind zudem etwelche magisterarbeiten geschrieben worden. 
grün für akademische auseinandersetzung. ich bin auf den gehalt und die 
ergebnisse neugierig.

 > spezialisierung erfordert, was wiederum dazu fuehrt, dass ausserhalb 
dieser kleinen szene erst recht so niemand weiss, worum es geht;

wer sich informieren will, der kann's tun. ich glaube ja immer noch, 
dass sich die meisten menschen, die gerne kunst rezipieren, bei 
entsprechender institutioneller aufbereitung auch gern einmal auf 
netzzkunst einlassen würden. ist das schlimm?

wenn aber die spezialisten keine adäquate sprache zur beschreibung und 
vermittlung finden. fiat nox?

 > sie haben das gefuehl verladen zu werden, und koennen richtig sauer 
reagieren;

idiosynkrasien entstehen aus dem mangel an interesse und vielleicht 
sogar wengier wegen der fehlenden vermittlungskompetenz, welche 
bereitschaft zur offenen auseinandersetzung verhindert. ich kann im 
übrigen nur sagen, dass von den paar hundert besuchern der vielleicht 
für den klassischen kunstbetrieb kryptischen 
"kontrollfelder"-ausstellung 2002 bei hartware, der weitaus geringste 
teil (und ich habe bis auf ein zwei tage jeden besucher weitgehend 
selbst geführt) "aggressiv" wurde. dort gab's u.a. traubs "bits&pieces" 
oder den auto-illustrator von ward bzw. von den lans "tracenoizer".

 > geladen kriegt (mit dreissig jahren verspaetung haben sie langsam die 
videokunst entdeckt);

wirklich? wie wurde denn auf d11 bewegtbild gezeigt? vielleicht schießt 
sich ja die szene selbst immer wieder von der bahn, möchte ich mal 
provozierend nachfragen.

 > nicht selbstkritisch genug reflektiert wird; dazu gab und gibt es 
zwar in intervallen immer wieder ansaetze auf nettime, aber das 
uebersetzt sich kaum in den deutschsprachigen raum hinein, womit also 
eine spezifische reflexion auf lokaler ebene unterbleibt;

einspruch: ich glaube, dass es davon eher zuviel gibt. wenn sich 
(bildende) kunst nicht sinnlich vermittelt, lesen/schreiben wir weiter 
bücher und aufsätze. dann brauchen wir nicht die eingeforderte arbeit im 
und mit dem netz. wenn wir zuviel politisieren und nurmehr die 
inhaltinhaltinhalt-forderung nach vorn stellen, warum dann im ikonischen 
des www (bitte keine debatte jetzt über lynx und kommandozeile)? oder 
ist es doch wieder das alte eingrenzende paradigma einer netzkunst, die 
nur politisch interventionistisch sein darf?

 > sicht des kunst- und medienmainstreams ein marginales thema sind, 
obwohl wir doch alle wissen, dass diese themen fuer die gesellschaft 
insgesamt von grosser relevanz sind.

wenn sinnlich überzeugendes fehlt, kann im sinnlichen keine überzeugung 
stattfinden, möchte ich mal tautologisch formulieren. und evetl. daran 
erinnern, dass ad reinhardt mal "kunst ist kunst und alles andere ist 
alles andere" meinte.

also schreiben wir und beißen uns selbst irgendwohin, was wiederum zum 
unbehagen über die ach so unterworfene, kleine szene führt. dieses 
zirkuläre gälte es einmal mehr durch die auffindung und definition 
bestimmter qualitäten, die im kunstdiskurs geführt werden müssen, 
aufzubrechen. warum nicht mit beiträgen innerhalb eines enzyklopädischen 
und vielleicht konservativen unterfangens wie dem www.medienkunstnetz.de

 > beide jedoch medien-netz-kunst mehr oder weniger ein rotes tuch sind.

s.o.

 > oder in der lage sind, womit wir z.B. wieder bei besagten luxus-
 > katalog- und buchreihen waeren.

ich verweise in diesem zusammenhang auf hartwares 404-kongress 
(www.404project.net). hat jemand von euch einmal den tod von kunst 
gerochen, beispielsweise in der erscheinung von gallusfraß auf barocken 
druckgrafiken? bitte einmal vergleichen mit der halbwertszeit von links. 
und noch einmal polemisch mit arno schmidt: "es gibt keine seligkeit 
ohne bücher."

 > schrebergarten zugange ist und das wurzelwerk biologisch organischer 
mediennetzkunstwerke im kleinen kreise zuechtet als

ist das wirklich so, was bringt uns das beharren auf der alten 
seilschaftmetapher. wie ist das denn andernorts. rhizome oder so? ich 
frage nur. ich halte diesen aspekt zwar für untersuchenswert aber 
marginal, denn in der konsequenz verhält sich eben jeder so arschig wie 
er kann, sprich: ethik denkt sich nicht nur hierzulande im individuum. 
und - pathetisch - wer sich wie eine sau verhält, ist selber schuld und 
muss mit bestimmten konsequenzen rechnen. ob das 
medienkunsszenespezifisch deutsch ist, bezweifle ich.

 > sich da irgendwo allzusehr hinauszulehnen, denn schlieslich koennte 
man ja einen job versaeumen oder eine einladung zu einem vortrag

darauf hat florian heute morgen schon hinlänglich geantwortet, denke ich.

lg
m
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