michael wolf on Fri, 4 Feb 2000 18:57:22 +0100 (CET)


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die ganze welt: schon heute! (Re: [rohrpost] "Und morgen dieganze Welt ... "?



>es ist sehr gef�hrlich vereinfachend, gewachsene nationale strukturen,
>die als demokratische form noch gar nicht so lage bestehen, mit ras-
>sismus "�ber einen kamm zu scheren".

da fuehle ich mich missverstanden. mir ging es nicht um vereinfachung,
sondern um differenzierung. ok, und darum, meinen aerger ueber die ganze
scheinheilige hysterie luft zu machen, mit der jetzt ueberall ausgerechnet
der haider joerg zum s�ndenbock gemacht wird. alles was ich sage ist doch:
so einfach ist es nicht. man kann nicht haider an den pranger stellen und
so den rassismus - oder wenn dir der kampfbegriff nicht passt -
ethnozentrismus einfach exorzieren. (und: nationale strukturen "wachsen"
nicht, sie werden produziert)

ich habe vereinfacht? ja, hab ich, aber nicht der vorwurf von rassismus ist
eine vereinfachung, sondern der der "ausgrenzung".

ich mach mal was, wofuer man immer entweder hipness-bonus oder eins auf die
fresse kriegt (fuer mich bitte die hipness-punkte, danke) und zitiere
deleuze und guattari, denn die haben eine in diesem kontext sehr brauchbare
rassismus-analyse gemacht:

"der europaeische rassismus als anmassung des weissen mannes bestand
niemals darin, jemanden auszuschliessen oder als den anderen zu bezeichnen
(...). der rassismus besteht in den abweichungsgraden im verhaeltnis zum
gesicht des weissen mannes, das abweichende merkmale in immer
exzentrischeren und retardierenderen wellenbewegungen auffangen will, um
sie entweder an bestimmten orten, unter bestimmten bedingungen, in einem
bestimmten getto zu tolerieren, oder sie von der wand zu wischen, die
andersartigkeit nicht ertraegt (das ist ein jude, ein araber, ein neger,
ein verrueckter... etc)."

- man koennte fortsetzen: ein nazi, ein fascho,...

oder:

>aber was ist mit
>dem schichtgebundenen bergbauern vom ararat in einer funktional struk-
>turierten gesellschaft? was ist mit blutrachegebundenen patriarchen,
>die ihre t�chter besch�tzen aber auch verkaufen? was ist mit der be-
>schneidung von afrikanischen frauen?

"aus der sicht des rassismus gibt es keine menschen, die draussen sind. es
gibt nur menschen, die wie wir sein sollten und deren verbrechen darin
besteht, das sie es nicht sind" (mille plateaux s 244/245)

um das klar zu machen (was eigentlich nicht noetig sein sollte, aber e-mail
ist ein tricky medium und ich will hier niemanden kraenken), thorsten, es
geht mir nicht darum, dich persoenlich des rassismus zu bezichtigen. ich
kenne dich nicht und habe keinen anlass zu der vermutung, du waerst ein
'nazi'. das problem ist, das man faschismus nicht wirklich effektiv durch
personalisierung und marginalisierung bekaemfen kann, weil mikrofaschismen
unsere sprachen und identitaeten durchziehen. das gilt fuer mich, und es
gilt eben auch fuer den diskurs dieser liste:

>f�r den einfachen deutschen,
>welcher nicht deine umfassende kosmopolitische bildung und einen
>ebensolchen intellekt besitzt, ist das fremde an sich nun einmal sehr
>bedrohlich

"ist es schon wieder soweit?", koennte ich mit theatralischer mine sagen
und dabei die brauen bis zum anschlag heben, "wird schon wieder das gesunde
volxempfineden gegen den kosmopolitischen intellektuellen in stellung
gebracht?" ja, erschreckenderweise ist es wohl so, und nicht in
irgendwelchen rechtsradikalen hetzblaettern, ueber deren schlampiges
lektorat man bestimmt den einen oder andern trefflichen witz machen
koennte, sondern hier und jetzt. und genau *hier* muessten wir mit unserer
kritik ansetzte, und nicht irgendwo 'da drueben' bei denen da hinten, den
neonazis und - exotischste aller wesen - bei den austrofaschisten, die
ihrerseits - so real und real bekaempfenswert ihre organisationen und
politiken auch sind - zu einem gutteil rassistische phantasmen,
feind-bilder sind.

>diese logik zieht sich besonders durch den kulturellen
>mainstream von tv und film.

ganz genau. drum: nicht distanzieren von irgendwelchen exotischen schurken
da hinten im fremden oesterreich, sondern ganz genau tv gucken. und den
rassismus da bekaempfen, wo er passiert: in unserer alltagssprach, in
zeitungen, tv, glueckwunschtelegrammen und in dieser liste.

>�ussere unterschiede sind f�r uns nat�rlich passe.

mitnichten. nimm einen linguisten oder nimm einen marketing strategen, sie
werden dir unabhaengig voneinander bestaetigen, dass differenz alles ist.
es geht nur darum, sie zu dezentrieren.

>die entwicklung der "68er" scheint abermals zu
>zeigen
>(friedrich II. war auch schon so weit), das es descartes und machiavelli
>offensichtlich nur im bundle gibt.

precisely. also schluss mit oedipus und cogito, dann sind wir auch die
macht los ;)

>keine frage! aber weise doch bitte mal wege und alternativen auf.

ich denke, das hab ich hiermit zumindest mal angefangen:

alles was ich will ist genau das, was auch monika urspruenglich
eingefordert hat: zunaechst mal genau analysieren, anstatt feindbilder
anzuspucken.

und eine pragmatik entwickeln, die dazu beitraegt den faschismus da zu
bekaempfen, wo er passiert, im inneren unserer kultur. ich vermute mal, auf
dieser liste sind die verwalter der codes, die akademiker, kuenstler,
journalisten und werbefuzzis ueberproportional vertreten, also koennen wir
auch ueberproportional dazu beitragen. frisch ans werk!

ich weiss, das war zu lang. (aber endlich mal ein echtes thema, und nicht
irgendne ausschreibung oder so)

mic



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