Volker Grassmuck on Tue, 23 May 2000 20:50:53 +0200 (CEST) |
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Re: [rohrpost] Digital, illegal, egal |
On 18 May 00 at 17:05, Andreas A. Milles wrote: > ich sehe keine andere l�sung, ausser platten zu vertreiben, weil die einfach > schlecht zu kopieren sind, oder eine schnelle l�sung mit einer gema-abgabe > von leer-CDs. > Der Schutz von geistigen Eigentum kann meiner Ansicht nach sowieso nur durch > massive diskreditierung des diebes gemindert werden. dass das bei User X, > der napster verwendet, nicht funktioniert, geschieht einer Gilde von > Ideendieben nur recht. Einen Weg zur�ck zum Vinyl sehe ich zwar nicht, aber bei der Pauschalabgabe gebe ich Dir recht. Was haben wir f�r Alternativen f�r's private, nicht-kommerzielle Kopieren? 1. das US-amerikanische Copyright-System: Lizenzierung + Fair Use. Im Prinzip mu� f�r jede Nutzung, z.B. eine Fotokopie aus einer Zeitschrift, der Rechteinhaber ausfindig gemacht und eine Lizenz mit ihm ausgehandelt werden. Wo das unverh�ltnism��ig w�re, z.B. eine Fotokopie aus einer Zeitschrift f�r private, nicht-kommerzielle Nutzung, die den Marktwert des Originals nicht schm�lert, kommt die Fair Use Defense zum Tragen. 2. die gerade entstehenden Rechte-Kontroll-Systeme: kryptographische Umschl�ge, 'trusted' black boxes, Wasserzeichen, Circumvention-Verbot, die ganze Nummer. Nach Ansicht des IP-Industrie-nahen Lagers unter den US-amerikanischen Rechtsgelehrten machen sie Fair Use �berfl�ssig, da sie noch die geringste Nutzung per Mausklick zu lizenzieren -- und per digital payment zu bezahlen -- erlauben. 3. das kontinental-europ�ische Urheberrechts-Prinzip: Zwangslizenzierung + Pauschalabgabe. Wurde in Dland in der UrhRs-Novelle von 1965 angesichts der Xerox-Kopiertechnologie etabliert. Besagt, da� f�r ver�ffentlichte Werke automatisch (zwangsweise, ohne den Rechteinhaber um Erlaubnis bitten zu m�ssen) eine Kopierlizenz erteilt ist, allerdings (bis auf engumrissene Ausnahmen in Bildung, Kirche, Gef�ngnis) eben nicht kostenlos. Eine gesetzlich festgelegte Pauschale (z.B. 2 Pfg/A4-Fotokopie) ist an die zust�ndige Verwertungsgesellschaft abzuf�hren. VGs sind als Interessenvertretungen der AutorInnen gegen�ber f�r den Einzelnen un�berschaubaren Verwertungen in Rundfunk, Musikspiel- und Abspielorten entstanden und haben ebenfalls einen gesetzlichen Status. (Da� z.B. die GEMA oft eine einseitige, ignorante Politik f�hrt, ist ein Problem der GEMA, nicht des VG-Systems.) Die von den VGs bei Copy-Shops, f�r Aufnahmeger�te und Leermedien eingesammelten Pauschalen werden dann einmal im Jahr je nach den angemeldeten Werken statistisch auf die Autoren umverteilt. Beiden Interessen ist gedient: jede ist frei, Kopien anzufertigen, ohne Angst haben zu m�ssen, als 'Piratin' inkriminiert zu werden, und die Autoren erhalten einen Bonus f�r die Werke, die sie in den gro�en Pool des Wissens geben. Bei der GEMA werden Nutzungen punktgenau (mit Playlists) erfasst, bei der VG-Wort geschieht die Umverteilung statistisch. Wenn man nicht jede Form von Schutz geistiger Wert verneint (wof�r man schwere Gesch�tze auffahren m�sste, der hat n�mlich in den meisten L�ndern Verfassungsstatus und steht in der Universellen Menschenrechtsdeklaration), scheint mir (3) die beste L�sung. Problem ist nur, da� sie nicht wirklich auf die Bedingungen des Internet skaliert. Da� es eine Pauschalabgabe auf CD-Brenner und Rohlinge gibt, finde ich OK, wobei nat�rlich ber�cksichtigt werden mu�, da� auch eigene, nicht UrhRs-relevante Daten gebrannt werden. Aber lieber eine solche Unsch�rfe als irgendeine Form von Kontrolle �ber die tats�chlich gebrannten Inhalte. Aber bei Napster funktioniert's halt nicht, es sei denn, man w�rde ein Payment-System dranh�ngen, das f�r jeden Transfer ein paar Pfennige an die GEMA �berweist. Faktisch ist es ja ohnehin so, da� die Rechteindustrie mit einer gewissen Durchl��igkeit rechnet. Wer als Studi mit der Kopie von Web-Authoring-Tool X von einem Freund gebastelt hat, wird ob seiner so erworbenen F�higkeiten bei Firma Y eingestellt, wo er f�r den Kauf des Updates sorgt. Microsoft z.B. beliefert den indischen Schwarzmarkt selbst mit NFR (Not For Resale)-Kopien. W�hrend bei Firmen, also bei profit-orientierten Nutzern, immer mal wieder Durchsuchungen nach 'Raubkopien' durchgef�hrt werden, l��t die Industrie private Nutzer weitgehend in Ruhe (obwohl auch da gelegentlich ein Exempel statuiert wird). Wie w�re es also, wenn man diese de facto-Situation, in einen de jure-Status erheben w�rde? Will sagen, Kopien f�r private, nicht-kommerzielle, Bildungs-bezogene Nutzung sind erlaubt, wobei f�r Aufzeichnungsger�te und Leermedien eine Umverteilungspauschale f�r AutorInnen zu entrichten ist. Kopien f�r profitorientierte Nutzungen (Weiterverkauf der Kopie, Integration in andere Produkte, Verwendung bei der Produktion von Produkten oder Dienstleistungen) werden lizenziert. Dazu hier zwei Passagen aus dem "Thesenpapier Informationsgesellschaft", das Andy M�ller-Maguhn (CCC) im Februar 1995 im Europarlament vorgetragen hat: "- Umgang mit Kommunikationsmitteln Sch�ler, Jugendliche und Arbeitslose k�nnen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage den Umgang mit Computern - als Zugangswerkzeugen zu Netzwerken - meist nur �ber die Benutzung illegaler Kopien urheberrechtlich gesch�tzter Programme ("Raubkopien") erlangen. Unberechtiger Besitz urheberrechlich gesch�tzter Software ist durch EU-Novellierung nicht mehr Zivil-, sondern Strafrecht. Das heisst, die meisten Computerbesitzer sind dadurch Straft�ter. Eine Qualifikation im Umgang mit Computern ist aber schon auf dem heutigen Arbeitsmarkt ein wesentlicher Faktor; dem technischen Nachwuchs werden dadurch Weiterbildungsm�glichkeiten erschwert. - Urheberrecht und Recht auf Bildung Software muss f�r nicht-kommerzielle Anwendungen kostenlos nutzbar sein; insbesondere Sch�ler, Studenten, Arbeits- und Mittellose m�ssen die M�glichkeit haben, sich Qualifikation am Computer anzueignen, um �berhaupt eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Die Verfolgung von Urheberechtsdelikten sollte von der Art der Nutzung abh�ngig gemacht werden. Produktionsmittel d�rfen Geld kosten, Lernmittel nicht." M��te man nat�rlich alles differenziert betrachten. Bei ner CD von Whitney Houston w�r's nicht so einfach, einen Bildungszweck geltend zu machen. Und das grunds�tzliche Problem, da� im Netz eine einzige private Kopie potentiell die gesamte Weltbev�lkerung versorgt, bliebe noch zu l�sen. Dazu m�ssten sich doch die digitalen Bibliothekare schon informationsfreiheitliche Gedanken gemacht haben. Wei� jemand was dazu? Bei einer grundlegenden Urheberrechtsreform k�men noch andere Aspekte dazu: Verk�rzung der Schutzfristen, Neudefinition von 'Erstver�ffentlichung', Reform der VGs, Access etc., aber eine Entkriminalisierung des privaten Kopierens ist wohl das Dringeste. Die Grundsatzentscheidungen �ber diese Fragen fallen jetzt. W�r nicht schlecht, wenn sich darin neben den Lobbies der Rechteindustrie auch die Bef�rworter einer freien und offenen Informationsumwelt Geh�r verschaffen w�rden. Jemand Lust auf ne Kampagne? Gru� Volker =-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=- home http://waste.informatik.hu-berlin.de/Grassmuck/ mikro http://www.mikro.org Wizards of OS http://www.mikro.org/wos =-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=- ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: [email protected]; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: [email protected], msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: [email protected] -- http://www.mikro.org/rohrpost