Reinhold Grether on Fri, 26 May 2000 09:50:56 +0200 (CEST) |
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[rohrpost] Re: Netzpolitik |
Hey, vielen Dank fuer die zahlreichen privaten und oeffentlichen Zuschriften. Bei etwas besseren Einkommensverhaeltnissen wuerde ich jeder/jedem das Dreierpack Bodenseeweine zukommen lassen. Anfangs kamen die Zuschriften alle an mich direkt, und da sie so klasse waren, mutmasste ich, ob es nicht insgesamt besser waere, statt der Liste den sie umrankenden Mailverkehr zu subskribieren. Aber vielleicht ist das alles ein Zeichen dafuer, dass wir von einer Statements- und Ankuendigungs-, zu einer Diskussions- und Zusammenarbeitsliste mutieren: das waer echt heiss. Wer sich die Muehe gemacht hat, das tulip-Konferenzprogramm anzusehen, mag sich - wie ich auch - ueber einiges sehr gewundert haben: mit falsch geschriebenem Namen sitze ich mit falscher Zuordnung (bin KEIN etoy.com-Mitglied) im falschen Panel. Geert Lovink hatte mich mit dieser Formel eingeladen: "i prefer a provocative amnifest from you on friday night to open the debate." Fuer mich DIE Gelegenheit auf meine eigentliche Themen Netzwissenschaft, Netzoekonomie und Netzpolitik zurueck zu kommen und das Odium des notorischen etoy-Interpreten etwas abklingen zu lassen (oder genauer: die Kernthemen mit den durch die etoy-Kampagne gemachten Erfahrungen aufzuladen). Stattdessen darf Grether im Panel "Silicon Valley as a Global Business Model" wieder etoy-betriebsnudeln (obwohl nicht mal eToys in Silicon Valley residiert und meine in der Tradion von Piore/Sabel und Saxenian erfolgten SV-Studien reichlich Staub angesetzt haben). Meine grundstuerzenden<g> Thesen werden nach diesem Kulturschock wohl nie das Licht der Welt erblicken, aber vielleicht ist das alles dazu gut, das Kooperationspotential und die Netzpolitikkompetenz der Liste insgesamt voran zu bringen. Drum hier die heute zur Selbsttroestung geschriebene These im Rohentwurf (wollte eigentlich heute die Lektuere abschliessen, Freitag bis Montag schreiben, und Mittwoch die Uebersetzung korrigieren). Weiss nicht, wie die naechsten Tage sich entwickeln, und ob ich nochmal dazu komme, ein weiteres Fragment zu schreiben bzw. auf die Liste zu setzen. Das jetzige Teil gehoert ungefaer ans Ende des ersten Drittels. Nochmals Dank und herzliche Gruesse an alle, Reinhold. P.S. Motto der Thesen: "Trust the Network" (ein Ted Byfield-Zitat) Das Informationsparadox Information entsteht als lokales Ereignis in einem engen personellen Umfeld. Als frei kopierbare Bitsequenz fixiert, buesst die mobil gemachte Information ihren lokalen Verstehenshorizont ein und erreicht in einem nicht-geldwerten, zeitlich-sukzessiven Prozess saemtliche weltweiten personellen Umfelder, die mit der Information irgendetwas anfangen koennen. Strukturell ist Information kein Knappheits-, sondern ein Ueberflussgut, und es gibt im wesentlichen nur drei Strategien, um der Information einen fiktionalen Knappheitscharakter aufzuzwingen. Erstens: Man verknappt die Uebertragungskanaele und sichert sich so eine Transaktionsrente (Maut). Genau das tut das derzeitige Domainnamensystem, das nur ein winziges Spektrum eines prinzipiell unbeschraenkten Adressraums freischaltet und damit bewirtschaftbar macht. Zweitens: Man individualisiert die Information und verschafft sich dadurch einen positionellen Mehrwert, der das freie Gut marktmaessig handelbar macht (Markenbildung). Belegt man das asemantische Zahlenfeld des IP-Adressraums mit einem Lexikon von Domainnamen, dann kapitalisiert man saemtliche gesellschaftlichen Differenzen, die dieses Lexikon enthaelt, zu geldwerten positionellen Guetern. Der erste Informationstransfer, der hier erfolgt, ist der der gesellschaftlichen Machtverteilung selber. Warenform gewinnt das Ueberflussgut Information zum dritten durch Strategien informationeller Mehrwertbildung. Rekonstruiert man z.B. das semantische Umfeld, worin die Information Sinn macht, oder entwickelt man ein Szenario von Anwendungsoptionen, oder verkuerzt man den Zeitabstand, bis die Information einen Interessenten erreicht, oder uebersetzt man sie in eine andere Sprache, fuegt man der Information einen geldwerten informationellen Mehrwert zu. Damit laesst sich unserem Beispiel DNS-System gut schreiben, dass es gegenueber dem IP-System einen informationellen Mehrwert erzeugt, der seinem Suendenregister einen gewissen Ablass verschafft. Legt man, wie erlaeutert [in einer anderen These], den Masstab der Weltkulturkapitalproduktion an, dann zeigt sich, dass eine optimale Informationsproduktion und -distribution, die Informationen rasch erzeugt und verteilt, nur in einem staendig neu auszuhandelnden hybriden Mix aus Open Source und Eigentumsrechten erreichbar ist. Auf die Agenda gehoert demnach eine Theorie, die die jeweiligen Vor- und Nachteile von Open Source und Eigentumsrechten gegeneinander abwaegt und ihre hybriden Kopplungen vergleichbar macht. ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: [email protected]; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: [email protected], msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: [email protected] -- http://www.mikro.org/rohrpost