Sven Guckes on Mon, 12 Aug 2002 03:40:03 +0200 (CEST) |
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[rohrpost] universal gehirnwaescher [repost] |
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Subject: [rohrpost] universal gehirnw�scher
Date: Mon, 12 Aug 2002 02:39:48 +0200
Message-ID: <[email protected]>
X-Mailer: Mozilla 4.61 [en] (Win98; I)
Kleiner Text �ber popfile.de und Co., den ich f�r die FAS
geschrieben habe. Und da deren Internet-Angebot ja
bekanntlich sehr d�rftig ist, kriegt ihr's halt so. Harald
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Teile und herrsche
Die Plattenlabels bek�mpfen die Musiktauschb�rsen -
und treffen damit ihre besten Kunden
Man kann nicht unbedingt behaupten, da� der Unterhaltungskonzern
Universal seinen Kunden ein gutes Erinnerungsverm�gen unterstellt.
Am Freitag startete der weltweit gr��te Plattenverlag seinen neuen
Download-Dienst f�r Deutschland, und eine mittlere Amnesie war schon
ganz hilfreich, um das Neue und Spektakul�re daran auch zu begreifen.
Wer bei popfile.de Songs erwirbt, verk�ndete die Neuberliner Firma,
der k�nne sich diese St�cke auch in seinen MP3-Player laden oder auf
CD brennen. Dabei d�rften selbst die j�ngeren unter den CD-K�ufern
noch miterlebt haben, da� das Kopieren von CDs oder MP3s auch einmal
ohne tiefere Informatikkenntnisse m�glich war, damals, in der
guten alten Zeit der Musikindustrie, vor Krise, Kopierschutz
und Kriminalisierung - vor etwa einem Jahr also.
Nat�rlich ist es nicht das erste Mal, da� ein Plattenverlag
einen neuen Trend verk�ndet und man wie der Schweizer
Ricola-Mitarbeiter aus der Werbung die stolzen Marktschreier
gerne noch einmal fragen m�chte: "Wer hat's erfunden?"
Wenn die neue Gro�z�gigkeit Schule macht, kommen vielleicht
demn�chst auch B�cher auf den Markt, die mit einem Etikett
daf�r werben, da� ihre K�ufer laut daraus vorlesen k�nnen,
und die eine Lizenz beinhalten, die gestattet, da� sich die
Seite nicht sofort nach dem Lesen aufl�st, sondern erst nach
einmaligem Kopieren. Universals Versuch, mit popfile.de den
zahllosen Musik-Tauschb�rsen im Internet eine kommerzielle
Alternative entgegenzusetzen, ist ein System fern jeglicher
Innovation und trotzdem das bisher mutigste Projekt dieser Art.
Im Kampf gegen die Weiterentwicklung der Technik unterschl�gt
der Dienst nicht ganz so viele Standardfunktionen moderner
Computer wie �hnliche Projekte. Das ebenfalls bezahlpflichtige
Musikportal Listen.com etwa hat extra eine eigene Software zum
Abspielen der Dateien entwickelt, um das Brennen auf CD zu
verunm�glichen. Mit einer Funktion zum kostenlosen Probeh�ren
kommt popfile.de dagegen fast an die Funktionalit�t eines
Offline-Plattenladens heran. Es ist nicht schwer zu erkennen,
da� nicht Napster oder einer seiner Nachfolger hier das Vorbild
abgibt, sondern ein anderes, in den vergangenen Jahren �hnlich
erfolgreiches Distributionsmodell: der Megastore.
Das m��te zun�chst kein Nachteil sein: Die Onlineversion eines
Kulturkaufhauses k�me dem Traum einer unendlichen, digitalen
Musikdatenbank sehr nahe. Gerade an den riesigen CD-Superm�rkten
kann man allerdings auch erkennen, da� etwa die Vielfalt des
Angebots eher umgekehrt proportional zur Gr��e der Verkaufsfl�che ist.
In popfile.de wird wieder einmal die Hilflosigkeit einer Branche
sichtbar, die vor ein paar Jahren von einem Ph�nomen �berw�ltigt
wurde und sich seitdem chronisch mi�verstanden f�hlt. Computer
sind bekanntlich schlecht f�r die Augen, aber die Popularit�t von
Musiktauschb�rsen hat in der Musikindustrie eine ganz besondere Form
von Kurzsichtigkeit ausgel�st: Die Soldaten der Konzerne schlagen wild
um sich und sehen dabei nicht, da� sie ihre besten Freunde treffen.
Es ist schon l�ngst ein veritabler Krieg, den die Konzerne gegen ihre
Kunden f�hren, mit gro�en Anwaltsarmeen und Guerrillataktiken, die sie
sich beim Underground des Internets abgeschaut haben. Da werden
gef�lschte Dateien in Umlauf gebracht und Downloads verlangsamt, auch
von Viren ist immer �fter die Rede und von neuen Gesetzen, die es den
Labels erlauben sollen, ohne Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen
in die Rechner der Tauschb�rsianer einzudringen. Es w�rde ihnen nicht
schaden, sich statt dessen einmal genauer anzusehen, gegen wen sie da
vorgehen, die Majors und ihre Majore: gegen fanatische Sammler, die
endlich eine Kollektion gefunden haben, die alle ihre W�nsche nach
Rarit�ten erf�llt; gegen Teenager, die so oft den neuen Eminem-Song im
Radio geh�rt haben, da� sie ihn jetzt nicht mehr aus dem Ohr bekommen;
gegen ein nicht viel �lteres Publikum, das genau jene Tatsache nicht
ertragen kann, da� es kaum noch Alternativen gibt zu 24 Stunden
Formatradio; und gegen mehr oder weniger kreative Menschen, die in der
Universalmaschine ein Instrument entdeckt haben, mit dem sie selbst
Musik aus Musik machen k�nnen.
Wer mit der Vermarktung von Musik sein Geld machen wollte, der hatte
schon immer ein Glaubw�rdigkeitsproblem, wenn er in die sogenannte
Szene eindrang - aber die Spione und Agenten, die vorher auf den Foren
der Fans herumschn�ffelten, die w�ren nie auf die Idee gekommen, sich
in zerst�rerischer Absicht den Ph�nomenen der Subkultur zu n�hern.
Sie suchten Trends, keine T�ter.
Das Verh�ltnis zwischen den Zulieferern und den Distributoren der
Musikbranche, zwischen Kreativit�t und Kommerz war immer schon
gespalten; aber es waren nie die Plattenfirmen, die damit ein Problem
hatten. Sie waren einmal n�her dran, an der Subversivit�t ihrer
Klientel. Die Tauschb�rsen des Internets haben den Musikmarkt
ver�ndert, auf ganz andere Weise, als das die Kulturwirte an ihren
einbrechenden Verkaufszahlen ablesen.
Wer sehen will, "wo Szenen noch eigene R�ume erobern", wie
Universal-Chef Tim Renner vor kurzem erkl�rte, der wird im Internet
wom�glich leichter f�ndig als in Berlin. Um herauszufinden, nach
welchen Kriterien und Mechanismen die Jugend von heute ihren
Festplattenschrank zusammenstellt, mu� man sich das Verhalten der Nutzer
etwas genauer anschauen. Dann k�nnte man zum Beispiel erkennen,
da� es so etwas wie eine Sehnsucht nach Ordnung im kreativen Chaos
der Tauschnetze gibt; da� die Neugier zunimmt und sich die Genres
vermischen; da� sich das pers�nliche Musikwissen vertiefen l��t wie nie
zuvor, indem man die Privatsammlungen anderer Nutzer durchbl�ttert.
Es ist eine Stelle frei, im un�berschaubaren Universum der digitalen
Datenstr�me, wo alles verf�gbar ist, aber nichts verbindlich, und
wollte man ein altes Wort f�r diese vakante Rolle verwenden, dann
k�nnte es etwa "Label" hei�en. Wann w�re es n�tiger, Wertungen zu
setzen, M�ll auszusortieren und Hits zu finden, als in einer Zeit, in
der t�glich an Tausenden von Schreibtischen Sounds produziert werden?
Labels sind als Orientierungshilfe wichtiger als je zuvor, aber es
m��ten schon differenziertere Beschreibungen auf den Etiketten
stehen als "hot" oder "cool". Universalismus ist out. Da� die Fans
die Musikst�cke besitzen wollen, auch wenn es sich nur um eine
Computerdatei handelt, das liegt nat�rlich zum Teil am guten alten
Fetischcharakter der Ware. Und obwohl Musiktauschb�rsen das Publikum
im Prinzip von einer von K�nstlern oder eben oft auch Produzenten
vorgegebenen Auswahl zusammengeh�render St�cke befreien, schalten
sehr viele Nutzer den Rechner nicht aus, bevor sie nicht auch den
langweiligsten Song eines One-Hit-Albums heruntergeladen haben.
Zugleich jedoch entspringt der Wunsch, ein fremdes St�ck
zum eigenen zu machen, einem kreativen Verlangen - mit dem
Song zu machen, was man will, ihn zu verschieben und
zu transferieren, zu bearbeiten und zu ver�ndern.
Dabei macht es richtig Arbeit, sich ein ganzes Album aus
dem Netz herunterzuladen. Aber die Kids sind Workaholics.
"Mit der Digitalisierung hat sich Musik von einem
Substantiv zu einem Verb entwickelt", hat Kevin Kelly,
Editor-at-large des Magazins "Wired", einmal geschrieben.
Die Verh�ltnisse beginnen zu tanzen.
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