Alvar Freude on Mon, 12 Aug 2002 14:10:08 +0200 (CEST)


[Date Prev] [Date Next] [Thread Prev] [Thread Next] [Date Index] [Thread Index]

Re: [rohrpost] universal gehirnwaescher [repost]


Hi,

-- Sven Guckes <[email protected]> wrote:

> Kleiner Text �ber popfile.de und Co., 

BTW:


  "Um die Popfile Webseite ansehen zu k�nnen, ben�tigst Du 
   Javascript und das Flash 5 Plugin."


Mal wieder Profis am Werk.


Ciao
  Alvar



den ich f�r die FAS
> geschrieben habe.  Und da deren Internet-Angebot ja
> bekanntlich sehr d�rftig ist, kriegt ihr's halt so.  Harald
> 
> -----------------------------------------------------------------------
> 
> Teile und herrsche
> Die Plattenlabels bek�mpfen die Musiktauschb�rsen -
> und treffen damit ihre besten Kunden
> 
> Man kann nicht unbedingt behaupten, da� der Unterhaltungskonzern
> Universal seinen Kunden ein gutes Erinnerungsverm�gen unterstellt.
> Am Freitag startete der weltweit gr��te Plattenverlag seinen neuen
> Download-Dienst f�r Deutschland, und eine mittlere Amnesie war schon
> ganz hilfreich, um das Neue und Spektakul�re daran auch zu begreifen.
> 
> Wer bei popfile.de Songs erwirbt, verk�ndete die Neuberliner Firma,
> der k�nne sich diese St�cke auch in seinen MP3-Player laden oder auf
> CD brennen.  Dabei d�rften selbst die j�ngeren unter den CD-K�ufern
> noch miterlebt haben, da� das Kopieren von CDs oder MP3s auch einmal
> ohne tiefere Informatikkenntnisse m�glich war, damals, in der
> guten alten Zeit der Musikindustrie, vor Krise, Kopierschutz
> und Kriminalisierung - vor etwa einem Jahr also.
> 
> Nat�rlich ist es nicht das erste Mal, da� ein Plattenverlag
> einen neuen Trend verk�ndet und man wie der Schweizer
> Ricola-Mitarbeiter aus der Werbung die stolzen Marktschreier
> gerne noch einmal fragen m�chte: "Wer hat's erfunden?"
> 
> Wenn die neue Gro�z�gigkeit Schule macht, kommen vielleicht
> demn�chst auch B�cher auf den Markt, die mit einem Etikett
> daf�r werben, da� ihre K�ufer laut daraus vorlesen k�nnen,
> und die eine Lizenz beinhalten, die gestattet, da� sich die
> Seite nicht sofort nach dem Lesen aufl�st, sondern erst nach
> einmaligem Kopieren. Universals Versuch, mit popfile.de den
> zahllosen Musik-Tauschb�rsen im Internet eine kommerzielle
> Alternative entgegenzusetzen, ist ein System fern jeglicher
> Innovation und trotzdem das bisher mutigste Projekt dieser Art.
> 
> Im Kampf gegen die Weiterentwicklung der Technik unterschl�gt
> der Dienst nicht ganz so viele Standardfunktionen moderner
> Computer wie �hnliche Projekte.  Das ebenfalls bezahlpflichtige
> Musikportal Listen.com etwa hat extra eine eigene Software zum
> Abspielen der Dateien entwickelt, um das Brennen auf CD zu
> verunm�glichen. Mit einer Funktion zum kostenlosen Probeh�ren
> kommt popfile.de dagegen fast an die Funktionalit�t eines
> Offline-Plattenladens heran. Es ist nicht schwer zu erkennen,
> da� nicht Napster oder einer seiner Nachfolger hier das Vorbild
> abgibt, sondern ein anderes, in den vergangenen Jahren �hnlich
> erfolgreiches Distributionsmodell: der Megastore.
> 
> Das m��te zun�chst kein Nachteil sein: Die Onlineversion eines
> Kulturkaufhauses k�me dem Traum einer unendlichen, digitalen
> Musikdatenbank sehr nahe. Gerade an den riesigen CD-Superm�rkten
> kann man allerdings auch erkennen, da� etwa die Vielfalt des
> Angebots eher umgekehrt proportional zur Gr��e der Verkaufsfl�che ist.
> 
> In popfile.de wird wieder einmal die Hilflosigkeit einer Branche
> sichtbar, die vor ein paar Jahren von einem Ph�nomen �berw�ltigt
> wurde und sich seitdem chronisch mi�verstanden f�hlt. Computer
> sind bekanntlich schlecht f�r die Augen, aber die Popularit�t von
> Musiktauschb�rsen hat in der Musikindustrie eine ganz besondere Form
> von Kurzsichtigkeit ausgel�st: Die Soldaten der Konzerne schlagen wild
> um sich und sehen dabei nicht, da� sie ihre besten Freunde treffen.
> 
> Es ist schon l�ngst ein veritabler Krieg, den die Konzerne gegen ihre
> Kunden f�hren, mit gro�en Anwaltsarmeen und Guerrillataktiken, die sie
> sich beim Underground des Internets abgeschaut haben.  Da werden
> gef�lschte Dateien in Umlauf gebracht und Downloads verlangsamt, auch
> von Viren ist immer �fter die Rede und von neuen Gesetzen, die es den
> Labels erlauben sollen, ohne Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen
> in die Rechner der Tauschb�rsianer einzudringen. Es w�rde ihnen nicht
> schaden, sich statt dessen einmal genauer anzusehen, gegen wen sie da
> vorgehen, die Majors und ihre Majore: gegen fanatische Sammler, die
> endlich eine Kollektion gefunden haben, die alle ihre W�nsche nach
> Rarit�ten erf�llt; gegen Teenager, die so oft den neuen Eminem-Song im
> Radio geh�rt haben, da� sie ihn jetzt nicht mehr aus dem Ohr bekommen;
> gegen ein nicht viel �lteres Publikum, das genau jene Tatsache nicht
> ertragen kann, da� es kaum noch Alternativen gibt zu 24 Stunden
> Formatradio; und gegen mehr oder weniger kreative Menschen, die in der
> Universalmaschine ein Instrument entdeckt haben, mit dem sie selbst
> Musik aus Musik machen k�nnen.
> 
> Wer mit der Vermarktung von Musik sein Geld machen wollte, der hatte
> schon immer ein Glaubw�rdigkeitsproblem, wenn er in die sogenannte
> Szene eindrang - aber die Spione und Agenten, die vorher auf den Foren
> der Fans herumschn�ffelten, die w�ren nie auf die Idee gekommen, sich
> in zerst�rerischer Absicht den Ph�nomenen der Subkultur zu n�hern.
> Sie suchten Trends, keine T�ter.
> 
> Das Verh�ltnis zwischen den Zulieferern und den Distributoren der
> Musikbranche, zwischen Kreativit�t und Kommerz war immer schon
> gespalten; aber es waren nie die Plattenfirmen, die damit ein Problem
> hatten.  Sie waren einmal n�her dran, an der Subversivit�t ihrer
> Klientel.  Die Tauschb�rsen des Internets haben den Musikmarkt
> ver�ndert, auf ganz andere Weise, als das die Kulturwirte an ihren
> einbrechenden Verkaufszahlen ablesen.
> 
> Wer sehen will, "wo Szenen noch eigene R�ume erobern", wie
> Universal-Chef Tim Renner vor kurzem erkl�rte, der wird im Internet
> wom�glich leichter f�ndig als in Berlin.  Um herauszufinden, nach
> welchen Kriterien und Mechanismen die Jugend von heute ihren
> Festplattenschrank zusammenstellt, mu� man sich das Verhalten der Nutzer
> etwas genauer anschauen.  Dann k�nnte man zum Beispiel erkennen,
> da� es so etwas wie eine Sehnsucht nach Ordnung im kreativen Chaos
> der Tauschnetze gibt; da� die Neugier zunimmt und sich die Genres
> vermischen; da� sich das pers�nliche Musikwissen vertiefen l��t wie nie
> zuvor, indem man die Privatsammlungen anderer Nutzer durchbl�ttert.
> 
> Es ist eine Stelle frei, im un�berschaubaren Universum der digitalen
> Datenstr�me, wo alles verf�gbar ist, aber nichts verbindlich, und
> wollte man ein altes Wort f�r diese vakante Rolle verwenden, dann
> k�nnte es etwa "Label" hei�en. Wann w�re es n�tiger, Wertungen zu
> setzen, M�ll auszusortieren und Hits zu finden, als in einer Zeit, in
> der t�glich an Tausenden von Schreibtischen Sounds produziert werden?
> 
> Labels sind als Orientierungshilfe wichtiger als je zuvor, aber es
> m��ten schon differenziertere Beschreibungen auf den Etiketten
> stehen als "hot" oder "cool". Universalismus ist out. Da� die Fans
> die Musikst�cke besitzen wollen, auch wenn es sich nur um eine
> Computerdatei handelt, das liegt nat�rlich zum Teil am guten alten
> Fetischcharakter der Ware.  Und obwohl Musiktauschb�rsen das Publikum
> im Prinzip von einer von K�nstlern oder eben oft auch Produzenten
> vorgegebenen Auswahl zusammengeh�render St�cke befreien, schalten
> sehr viele Nutzer den Rechner nicht aus, bevor sie nicht auch den
> langweiligsten Song eines One-Hit-Albums heruntergeladen haben.
> 
> Zugleich jedoch entspringt der Wunsch, ein fremdes St�ck
> zum eigenen zu machen, einem kreativen Verlangen - mit dem
> Song zu machen, was man will, ihn zu verschieben und
> zu transferieren, zu bearbeiten und zu ver�ndern.
> 
> Dabei macht es richtig Arbeit, sich ein ganzes Album aus
> dem Netz herunterzuladen. Aber die Kids sind Workaholics.
> "Mit der Digitalisierung hat sich Musik von einem
> Substantiv zu einem Verb entwickelt", hat Kevin Kelly,
> Editor-at-large des Magazins "Wired", einmal geschrieben.
> Die Verh�ltnisse beginnen zu tanzen.
> -------------------------------------------------------
> rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze
> Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost
> http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren:
> http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/
> 




-- 
** ODEM ist f�r den poldi Award nominiert! http://www.poldiaward.de/
** http://www.poldiaward.de/index.php?display=detail&cat=audi&item=24
** http://odem.org/
** Mehr Projekte: http://alvar.a-blast.org/


-------------------------------------------------------
rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze
Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/
Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/