Florian Cramer on Thu, 7 Aug 2003 14:56:30 +0200 (CEST) |
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Re: [rohrpost] heise online: Red Hat: Pinguine aller Laender,vereinigt euch! |
peter riegersperger <[email protected]> schrieb: > der disput zwischen sco und ibm dreht sich nicht um copyright verletzungen, > sondern um vertragsverletzungen, da sco behauptet, die von ibm in linux > eingebrachten routinen w�ren derivate des system v, das ibm von sco (damals > caldera) lizensiert hat (f�r das ibm betriebssystem aix). Ja, und zwar auf Grund der haneb�chenen Konstruktion, da� dieser Code (u.a. das jfs-Dateisystem, NUMA, read-copy-update), der nicht von SCO, sondern von IBM bzw. der von IBM sp�ter aufgekauften Firma Sequent geschrieben wurde, in das damals von SCO und IBM gemeinsam projektierte 64-Bit-Unix ("Project Monterey") einfliessen sollte. SCO argumentiert nun nicht nur, da� die Ver�ffentlichung dieses Codes als freie Software einen Vertrag �ber das Project Monterey verletzt, sondern da� er - als Teil des projektierten SCO/IBM-Unix, das der direkte Nachfolger des von SCO aufgekauften AT&T-Unix werden sollte - als Derivat von AT&T-Unix anzusehen sei, an dem SCO die Rechte habe, woraus die Firma wiederum ihre Lizenzforderungen an Linux-Anwender ableitet. - Es w�re also sch�n, wenn es sich tats�chlich nur um einen Vertragsstreit zwischen SCO/Caldera und IBM handeln w�rde. W�re es so, w�ren Linux-Anwender davon �berhaupt nicht tangiert. Man mu� sich diese Absurdit�t vielleicht mit einem Vergleich verdeutlichen: Man stelle sich vor, der Brockhaus-Verlag schl�sse einen Vertrag z.B. mit Bertelsmann �ber eine gemeinsame Redaktion einer Neuauflage der Brockhaus-Enzyklop�die ab; dennoch w�rde sich dieses Projekt zerlaufen, und Bertelsmann w�rde stattdessen auf die freie Wikipedia <http://www.wikipedia.org> setzen und ihr seine Texte und die Expertise seiner Redaktion beisteuern, aus dem nicht uneigenn�tzigen Grund, die Wikipedia mit ihren freien Nutzungsrechten k�nftig als Quelle eigener Online- und Printpublikationen zu nutzen. Mittlerweile h�tte Brockhaus, nicht zuletzt durch die Konkurrenz freier Netz-Enzyklop�dien wie der Wikipedia, seine Bedeutung weitgehend eingeb��t und w�re f�r billig von einem Internet-Provider, der selbst einen Mirror der Wikipedia im Web bereitstellt und an der Wikipedia mitarbeitet, aufgekauft worden. Dieser Webspace-Provider ger�t ein Jahr sp�ter seinerseits in wirtschaftliche Schwierigkeiten und erh�lt ein neues Management. Dieses erkl�rt in einer Presseerkl�rung, die Gesch�ftsgrundlage der Firma sei nun nicht mehr das Web-Hosting, sondern die Verwertung der Rechte an der Brockhaus-Enzyklop�die. Zu diesem Zweck benennt sich der Provider um und firmiert nun als "Brockhaus-Verlag". Einen Monat sp�ter verklagt dieser "Brockhaus-Verlag" Bertelsmann auf Vertragsbruch. Alle Lexikonartikel, die Bertelsmann zuvor der Brockhaus-Enzyklop�die habe beisteuern wollen, seien das "geistige Eigentum" ("intellectual property" / "IP") des "Brockhaus-Verlags". Somit sei die Wikipedia ein von der Brockhaus-Enzyklop�die "abgeleitetes Werk" ("derived work"), welches das geistige Eigentum des Brockhaus-Verlages verletze. Es g�be zum Teil w�rtliche �bereinstimmungen in den Texten der (unter Verschlu� gehaltenen) neuen Brockhaus-Enzyklop�die und der Wikipedia, man k�nne diese aber nicht spezifizieren, weil sonst das Wikipedia-Projekt die Spuren dieses Klaus mutwillig verwischen k�nnte. Vielmehr m��te jeder, der die Wikipedia im Internet liest oder Kopien von ihr auf Festplatten, CD-ROMs oder auf Papier besitzt, dem "Brockhaus-Verlag" eine Nutzungs- bzw. Lizenzpauschale in H�he des vollen Kaufpreises einer 20b�ndigen Brockhaus-Enzyklop�die zahlen; erst dann sei man vor Rechtsanspr�chen des Brockhaus-Verlags sicher. Und weil man auf Grund der Historie nachweisen k�nne, da� der Brockhaus die Mutter aller modernen Enzyklop�dien sei, habe man Rechtsanspr�che auf das Konzept "Enzyklop�die" insgesamt und betrachte alle existierenden Enzyklop�dien als vom Brockhaus "abgeleitete Werke", f�r die man m�glicherweise Lizenzforderungen erheben werde. > ich denke, hier hat sich eine st�rke des open-source *development prozess* als > schw�che gezeigt: das fehlen von kontrolle. Wobei "Open Source" nach der "Open Source Definition" ein Lizenz- bzw. Nutzungsmodell ist und keine Entwicklungsmethodik spezifiziert. Viele Open Source- bzw. Freie Software wird nach zentralistischem "Kathedralen"-Prinzip entwickelt, so z.B. fast alle GNU-Software, XFree86 und Free/Net/OpenBSD. Es geht vor allem auf das Konto von Eric S. Raymond und seines Aufsatzes "The Cathedral and the Bazaar", die Differenz von Lizenz- und Entwicklungsmodell verunklart zu haben (so, wie andere die Differenz von Linux als Kernel und GNU/Linux als Betriebssystem verwischt haben). Beides r�cht sich jetzt, weil Firmen wie SCO, Microsoft und z.T. auch Sun versuchen, von den Schw�chen des einen (der offenen Entwicklung, der Organisation der Linux-Kernel-Entwickler) auf Schw�chen des anderen (der offenen Lizenzierung, von freier Software-Entwicklung insgesamt) zu schlie�en. > torvalds: > No. I allege that SCO is full of it, and that the Linux process is already the > most transparent process in the whole industry. Let's face it, nobody else > even comes close to being as good at showing the evolution and source of > every single line of code out there. Das ist naiv; die Methode der FSF/des GNU-Projekts hingegen, Entwickler explizite Erkl�rungen dar�ber unterschreiben zu lassen, da� sie keine fremden Copyrights verletzen, erweist sich gerade als sehr klug und voraussichtig. Torvalds taugt sich auch kaum als Ikone der freien Software, zu der er gemacht worden ist. Er selbst hat propriet�ren Code entwickeln (die Code-Morphing-Software der Transmeta-Prozessoren) und f�r die Kernelentwicklung die propriet�re "Bitkeeper"-Software einsetzt, deren Lizenzbedingungen sich wie sich eine Beitrittserkl�rung zur Church of Scientology lesen bzw. denen der NATO-Software von Netchoka Nezvanova hochgradig �hneln. (U.a. ist es Bitkeeper-Nutzern nicht gestattet, an konkurrierenden freien Projekten wie "Subversion" und "arch" mitzuwirken.) Gl�cklicherweise arbeiten Freie Software-Entwickler seit Neuerem daran, Betriebssystem und Kernel voneinander zu entzahnen. Das Debian-Betriebssystem (bzw. die Debian-"Distribution") wird man in B�lde auch alternativ mit freien BSD-Kernels statt mit Linux nutzen k�nnen, eine GNU Hurd-Version existiert schon seit l�ngerem. > in dieser ganzen situation taucht eine alte frage in ihrer grunds�tzlichen > form wieder auf: w�hrend man sich vor ein paar jahren noch die frage gestellt > hat, ob kommerzielle interessen und die free software community miteinander > kompatibel sind (z.b. haftung, service und support), geht es jetzt um die > frage, ob kommerzielle interessen und free software an sich kompatibel sind. _Eine_ Verschw�rungstheorie scheint mir nicht abwegig: Da� tats�chlich Microsoft bei SCO seine Finger im Spiel hat. Daf�r spricht, da� die Klage wohl ebenso chancenlos ist wie die Firma SCO insgesamt, sie aber erst 2004 in den USA vor Gericht verhandelt wird und ein Urteilsspruch nicht vor dem Fr�hjahr 2005 f�llt: Zwei Jahre lang werden also Linux-basierte Betriebssysteme unter einer massiven FUD-Kampagne ("Fear, Uncertainty, Doubt") stehen. Nicht nur entspricht dies Microsofts typischer Strategie und nicht nur hat SCOs Staranwalt vorher Microsoft im Anti-Trust-Proze� verteidigt, sondern die Konsequenzen der Kampagne sind in jedem Fall g�nstig f�r Redmond. Sollten sich tats�chlich Anwender, Management-Etagen und �ffentlicher Dienst von fortdauernden rechtlichen Unklarheiten verunsichern lassen, st�nden sie vor zwei Alternativen: 1. einer Migration auf propriet�re Systeme wie Solaris und Windows (weshalb Microsoft und Sun zur Zeit als einzige Firmen SCOs Politik mit Lizenzk�ufen st�tzen) 2. einer Migration auf freie BSDs, analog der Migration von den freien BSDs zu GNU/Linux in den fr�hen 1990er Jahren w�hrend des Gerichtsprozesses AT&T gegen BSD/die University of California at Berkeley. (In der Tat ist die SCO-Klage nichts anderes als eine Reinszenierung des AT&T-Prozesses, nur da� die BSDs auf Grund des damals geschlossenen Vergleichs mit AT&T heute juristisch aus dem Schneider sind.) Microsoft - sogar Bill Gates pers�nlich - hat mehrfach erkl�rt, nicht gegen freie Software im allgemeinen zu sein, sondern nur gegen GPL-lizenzierten Code im besonderen. Man sei gegen GNU/Linux, aber f�r FreeBSD (das Microsoft selbst als Server-Betriebssystem z.B. f�r hotmail.com einsetzt), weil letzteres so lizenziert ist, da� sein Code auch in propriet�re Software �bernommen und propriet�r modifiziert werden kann (wie z.B. im TCP/IP-Stack von Windows und fast aller anderen nichtfreien Betriebssysteme). -F -- http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/homepage/ http://www.complit.fu-berlin.de/institut/lehrpersonal/cramer.html GnuPG/PGP public key ID 3200C7BA, finger [email protected]
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