Florian Cramer on Wed, 11 Dec 2002 18:40:02 +0100 (CET) |
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Re: [rohrpost] Lev Manovich, banales beispiel: der zoom im Acrobat Reader |
Am Sonntag, 08. Dezember 2002 um 18:46:56 Uhr (+0100) schrieb Harald Hillg�rtner: > Hallo, > vielen Dank f�r die Konkretisierung. Trotzdem w�rde ich gerne noch ein paar > Bedenken formulieren. [...] > Au�erdem: Nat�rlich sind mp3 und DiVX standardisiert. Sonst lie�en sich wohl > kaum Kodierer und Dekodierer daf�r schreiben. Wohl gibt es mehrere Standards > parallel, dass �ndert aber nichts daran, dass es welche gibt. Bei DiVX gibt es, je nach Format, Referenzimplementatitionen, Hacks oder freie oder halbfreie Bibliotheken, die andere Player nutzen k�nnen. Von Standardisierung im harten Sinne kann insofern auch nicht die Rede sein, als hier keine "neutralen" Industriegremien (wie z.B. IETF, IEEE, das DVD-Konsortium oder das W3C) Standardisierungsdokumente verfassen. > > 3. Speicherung > > > > - Audio-CD und Video-DVD sind an bestimmte Hardware-Tr�ger, sprich > > Speichermedien gebunden. In dem Moment, da man die Daten einer > > Audio-CD z.B. auf eine portable Festplatte �berspielt, > > besitzt man keine Audio-CD mehr. > > Wenn du mit Audio-CD das cdda-Format meinst, dann stimmts. Dann ist aber auch > eine CD-ROM, auf die Festplatte kopiert, keine CD-ROM mehr. Weil es ja nicht auf die CD-ROM ankommt, sondern auch die auf ihr gespeicherten Dateien. Gerade die CD-ROM ist doch ein klassisches Beispiel der Abkoppelung von Daten von ihren physischen Speichern. Als sie in den fr�hen 1990er Jahren eingef�hrt wurde, war sie quasi synonym mit "Multimedia", und die Hoffnungen einer ganzen Industrie koppelten sich an sie. Aus dieser Zeit gibt es ja auch zahlreiche k�nstlerischen CD-ROM-Projekte. Die Idee war, die CD-ROM als "multimediales" Shrink-Wrap-Medium analog zur Musik-CD zu verbreiten. Faktisch aber scheiterte der Versuch, und die CD-ROM setzte sich als ihrem Dateiinhalt gegen�ber neutraler Speicher durch. > > - Im Gegensatz dazu sind mp3 und DiVX nicht an bestimmte > > Speicherhardware gebunden, sonden k�nnen arbitr�r auf CD-ROMs, > > Festplatten, Disketten, Flash-Speichern, Web- und FTP-Servern, > > Filesharing-Netzwerken etc. abgelegt werden. > > Na gut, Audio-CDs in einem anderen Format auch. Wenn es nicht so w�re, dann > k�nnten der Musik- und Filmindustrie das File-Sharing herzlich egal sein. Der Punkt ist aber eben das "andere Format", eben die Abkoppelung der Audio-Daten von ihrem physischen Speicher. Als die Audio-CD eingef�hrt wurde, gab es bei den Konsumenten ja nicht einmal ein technisches Bewu�tsein daf�r, da� der physische Tr�ger der CD ein Ding und die gespeicherte Tondaten ein anderes sind und man beide voneinander entkoppeln kann. Genau diese Entkoppelung f�hrt aber dazu, da� Bild-, Text- und Tondaten erst als immaterielle Codes begriffen werden und man ihre Abspielger�te als Software implementieren kann. > > - Ein anderer Punkt ist die Entkoppelung nicht nur von Codierungs- und > > Speichertechnologie, sondern auch der �bertragungstechnologie in > > Software-Medien. W�hrend z.B. digitales Radio und digitales Fernsehen > > fest mit genormten �bertragungstechnologien verkoppelt sind, k�nnen mp3 > > und DiVX �ber beliebige digitale Kan�le �bertragen werden (s�mtliche > > Dienste des Internet, HAM-Radio, direkte Modemverbindungen, LANs > > etc.). > > Alle �bertragungen sind an Standards gebunden. Auch s�mtliche Dienste des > Internet. Und das Radiosender auch im Internet "ausstrahlen" ist nicht sehr > ungew�hnlich. Oder habe ich dein Argument falsch verstanden? Internet-Radio ist ein gutes Beispiel f�r meine These. Bis vor kurzem schuf sich jede Informationstechnologie nicht nur spezifische, fest verkoppelte materielle Tr�ger f�r ihre Information (B�cher f�r Schrift, Schallplatten und CDs f�r Musikkonserven, Videob�nder und DVDs f�r bewegte Bilder etc.), sondern ggfs. auch spezifische, fest verkoppelte �bertragungskan�le (FM-Modulation mit bestimmten Sendefrequenzen f�r Fernsehen und Radio, Relais-Verschaltung f�r Telephonie etc.). Mit dem Internet gibt es nun einen digitalen �bertragungskanal, der nicht an bestimmte Typen von Information gebunden ist und deshalb potentiell alle anderen Kan�le ersetzen kann. Neue Informationstechnologien k�nnen deshalb rein als digitale Codierungsstandards und Codierungs- und Decodierungssoftware f�r Personalcomputer implementiert werden, ohne da� man sich - wie noch die Erfinder von Funk und Fernsehen - noch Gedanken um neue Sendetechnologien, Sende- und Empfangs- sowie Abspielhardware und Speichertechnologien machen mu�. Wenn heute Codes, Abspielhardware, Speichermedien und �bertragungsnetze noch fest miteinander verkoppelt werden, dann nur aus kommerziellen Erw�gungen. Ein gutes Beispiel daf�r sind Spielkonsolen, deren Hersteller f�r ein m�glichst geschlossenen Datenkreislauf sorgen wollen. Aus diesem Grund sind Spielkonsolen (speziell Microsofts X-Box) auch die Protoypen und Hardware gewordenen Feldversuche zuk�nftiger geschlossener Informationsarchitekturen. > > Da mit dem Internet und TCP/IP ein generischer Kanal und mit dem PC ein > > generisches Codierungs-, Dekodierungs- und Speicherger�t existiert, > > k�nnen "Medientechnologien" mit geringem Aufwand rein als algorithmische > > Software konzipiert werden und damit auch rigoroseren Update-Zyklen > > unterworfen werden. > > Die Hardware brauchts schon noch. Nat�rlich. Aber welche Hardware, ist egal, solange sie der von Neummann-Architektur entspricht und genug Rechenleistung bereitstellt. > �brigens: ich will ja gar nicht in Abrede stellen, dass es eine signifikante > Differenz zwischen Soft- und Hardwaredekodern gibt. Nur l�sst sich dies nicht > als solch eine eindeutige Opposition fassen, h�chstens als "akademische > medien-theorie-spielerei" konstruieren, die aber doch an anderer Stelle so > verfehmt wurde. Da� dies nicht nur akademische Spielereien sind, wird man sp�testens dann merken, wenn digitale Daten wie z.B. DiVX- oder Quicktime-Filme eben wegen ihrer Abkoppelung von spezifischer Abspielhardware in wenigen Jahrzehnten nicht mehr lesbar sein werden. (Im Unterschied z.B. zum Buch oder zu einem gemalten oder photographischen Bild, das seine "Abspielhardware" immer mit sich f�hrt.) -F -- http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/homepage/ http://www.complit.fu-berlin.de/institut/lehrpersonal/cramer.html GnuPG/PGP public key ID 3200C7BA, finger [email protected] ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/